In Zusammenarbeit mit:
Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ)
Boden proben & Gemüse verkaufen – Interview mit Dr. Sandra Münzel

Interview: querFELDein
Der Gemüse- und Obstanbau steht unter Druck: Die intensive Bewirtschaftung zehrt an den Böden. Kaufland will sich diesen Herausforderungen stellen und setzt dabei auf das Know-how der Forschung. Dr. Sandra Münzel vom Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) erklärt, wie es zu dem gemeinsamen Forschungsprojekt kam, welche Erkenntnisse bisher gewonnen wurden und warum die enge Zusammenarbeit mit den Betrieben eine Schlüsselrolle spielt.
Frau Dr. Münzel, Sie untersuchen in Kooperation mit Kaufland die Bodengesundheit auf den Feldern der Gemüse- und Obstlieferanten. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Sandra Münzel: Kaufland hat viele Obst- und Gemüselieferanten in verschiedenen Ländern. Bisher wurde das Obst und Gemüse immer auf Qualität, Größe und Gewicht geprüft. Jetzt will Kaufland auch sicherstellen, dass die Bodengesundheit beim Anbau nicht leidet. Dazu müssen wir erst einmal wissen, wie es um die Böden bestellt ist und welche Möglichkeiten es gibt, sie zu verbessern. Dazu ist die Kaufland Stiftung Co KG an das IGZ als wissenschaftlichen Partner herangetreten und hat gefragt, ob wir die entsprechenden Untersuchungen durchführen können. Der Kontakt kam über die Gemüsering Stuttgart GmbH und Frau Dr. Carmen Feller vom IGZ zustande. Kaufland investierte Geld für ein fünfjähriges Projekt und nannte geeignete Zulieferbetriebe. Wir haben dann die Betriebe angesprochen und gefragt, ob sie mitmachen wollen.
Warum übernimmt Kaufland nicht einfach Vorschläge zur Bodenverbesserung aus dem Getreideanbau? Was ist das Besondere am Obst- und Gemüseanbau?
Münzel: In Bezug auf die Bodengesundheit wirkt der Gemüseanbau intensiver auf den Boden als der Getreideanbau, so sind z.B. zwei bis drei Kulturen pro Jahr, wie Salat oder Radieschen, keine Seltenheit. Zudem verbleiben bei vielen Gemüsearten nach der Ernte weniger Pflanzenreste auf der Fläche, so dass weniger organische Substanz für den Humusaufbau zur Verfügung steht.

Dennoch wird es viel Vorwissen aus der Wissenschaft geben. Welchen Erkenntnisgewinn erhoffen Sie sich von den neuen Untersuchungen?
Münzel: Ja, in der Wissenschaft gibt es sehr viel Literatur mit guten Ideen. Aber die Daten sind meistens durch Forschung unter kontrollierten Bedingungen entstanden. In diesem Projekt können wir in größerem Umfang mit der Praxis zusammenarbeiten. Ausgehend von den entsprechenden Bodenverhältnissen und unseren spezifischen Ergebnissen der Bodenuntersuchungen, geben wir unsere Vorschläge. Aber dann kann es passieren, dass der Betrieb sagt: “Nein, das geht nicht, weil der Boden gerade zu nass ist und wir mit den Maschinen nicht aufs Feld kommen oder weil wir keinen Zugang zu organischem Dünger haben. Aber stattdessen können wir diese Idee ausprobieren.” Das ist für mich das Tolle: unsere Theorie an der Praxis zu messen und nicht wie unter einer Glasglocke zu forschen.
Wo befinden sich die Zulieferbetriebe? Wie unterschiedlich sind die Boden- und Klimaverhältnisse?
Münzel: Die am Projekt beteiligten Pilotbetriebe verteilen sich in Deutschland über das ganze Land, in Polen sind wir mit Ausnahme des Südens ebenfalls recht breit gestreut. In der Tschechischen Republik konzentrieren sich die Betriebe um Prag. Klimatisch unterscheiden sich die Gebiete also nicht sehr, aber mit den derzeit 18 Betrieben und über 60 Flächen haben wir eine große Bandbreite an Bodenverhältnissen. Von sandigen bis zu sehr lehmigen Böden ist alles dabei. Damit verbunden ist auch eine große Vielfalt an Gemüsekulturen. Beim Obst haben wir uns auf den Apfelanbau konzentriert. Ursprünglich war geplant, auch Spanien und Italien mit einzubeziehen, aber Corona hat diese Pläne über den Haufen geworfen.
Sicherlich kann nicht überall Gemüse angebaut werden. Welche Eigenschaften müssen die Böden auf jeden Fall mitbringen?
Münzel: Gemüseanbau ist in Deutschland fast überall möglich, natürlich regional unterschiedlich, denn die Gemüsearten haben zum Teil ganz spezielle Ansprüche. Manche wollen sandige Böden, weil sie locker sind und relativ trocken bleiben, für andere ist der pH-Wert ganz wichtig. Aber ganz grob gesagt: Es braucht genügend Niederschlag, aber auf keinen Fall Staunässe im Boden. Der Boden darf auch nicht zu feinkörnig sein, sonst wird er steinhart, wenn er austrocknet. Im Gemüsebau ist die Bewässerung in den meisten Fällen trotzdem notwendig, um eine gute Ernte zu erzielen.

Wann haben Sie mit den Untersuchungen begonnen?
Münzel: Das Projekt startete mitten in der Corona-Zeit Ende 2020. Zunächst wählten wir gemeinsam mit den Betrieben die Flächen für unsere Studie aus und nahmen Anfang 2021 die ersten Bodenproben. So konnten wir uns einen Überblick über den Zustand der Böden und deren Defizite verschaffen. Darauf aufbauend haben wir im Laufe des Jahres 2021 gemeinsam mit den Betrieben erste Maßnahmen geplant und größtenteils auch umgesetzt. Die erneute Bodenbeprobung fand dann 2024 nach der Ernte statt und derzeit werten wir die Maßnahmen erstmals aus. Das Projekt läuft noch bis Juni 2025.
Das Jahr 2022 ist noch nicht lange her. Reichte denn diese Wartezeit aus, um erste Aussagen über den Erfolg der Maßnahmen treffen zu können?
Münzel: Zweieinhalb Jahre reichen natürlich nicht aus, damit alle unsere Maßnahmen nachweisbare Auswirkungen auf den Boden haben. Der Humusaufbau und die Veränderungen im mikrobiellen Bodenleben zum Beispiel vollziehen sich viel langfristiger. Hier können wir bisher allenfalls einen Trend erkennen. Trotzdem lohnt es sich, von Zeit zu Zeit Bilanz zu ziehen, auch um mögliche Fehlentwicklungen zu antizipieren.
Wie genau läuft denn so eine Beprobungskampagne ab? Fahren Sie mit Kleinbus durch die Länder und die Proben lagern Sie hinten im Kofferraum?
Münzel: Das ist gar nicht so weit weg von der Realität. Wir fahren immer zu zweit zu den Betrieben und reden dort zuerst mit den verantwortlichen Landwirtinnen und Landwirten. So erhalten wir Informationen über die Flächen und wie sich die Maßnahmen in der Praxis bewährt haben. Dann beproben wir einerseits die Flächen mit unseren Maßnahmen und andererseits die Vergleichsflächen, auf denen wie bisher gearbeitet wurde. Im Durchschnitt testen wir zwei bis drei Maßnahmen pro Betrieb. Bei 20 Einstichen pro Fläche sind das etwa 120 Bohrstockproben pro Betrieb, die insgesamt zwischen vier und acht Stunden in Anspruch nehmen. Wichtig ist natürlich auch die Lagerung der Proben. Wir können nicht vier Wochen mit den Bodenproben durch die Betriebe touren. Gerade Proben, in denen das mikrobielle Leben untersucht werden soll, müssen bei 4 Grad gekühlt oder sogar eingefroren werden. Sobald es wärmer wird, entwickeln sich die Bakterien, Pilze etc. in der Probe weiter und spiegeln nicht mehr die Verhältnisse auf den Ackerflächen wider. Hier nutzen wir teilweise auch den Versand über Nacht.

Auch wenn es sich bisher nur um einen Zwischenstand handelt, lassen sich bereits erste Aussagen treffen, welche Maßnahmen sinnvoll sind?
Münzel: Zunächst ist festzuhalten, dass die Betriebe ihre Böden bereits gut kennen. Seit jeher gleichen sie eventuelle Defizite durch organische Düngung, typische Makronährstoffe wie Stickstoff, Phosphor, Kalium oder Kalkung aus. Durch unsere Untersuchungen bekommen wir nun auch einen Blick auf die Mikronährstoffe und z. B. das Bodenleben. Dafür sind uns viele der teilnehmenden Betriebe dankbar, denn diese Aspekte werden nicht in üblichen Grundbodenuntersuchungen betrachtet. Daraus ergeben sich neue Maßnahmen wie die Zugabe von Borsäure oder Mikronährstoffdünger mit Zink und Mangan. Man kann auch bestimmte Pilze und Bakterienstämme in den Boden einbringen oder mit Kompost statt mit Gülle düngen. Das wirkt länger und fördert das mikrobielle Leben. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass in Polen und Tschechien nicht so oft Zwischenfrüchte angebaut werden und wenn, dann meist nur für zwei Monate und nicht über den Winter. Dabei schützen Zwischenfrüchte den Boden vor Auswaschung und Erosion und bringen mehr organische Substanz in den Boden. Hier können wir oft ansetzen. Es gab einige Betriebe, die sehr viel mit Phosphor und Kalium gedüngt haben. Immer drauf, so wie man das kennt. Da haben wir vorgeschlagen, zwei bis drei Jahre, diese Düngung wegzulassen. Dann haben die Betriebe trotzdem in den nächsten Jahren den gleichen Ertrag und sparen gleichzeitig Kosten. Auch wenn wir noch etwas Zeit brauchen, um zu endgültigen Aussagen zu kommen, bin ich zuversichtlich, dass am Ende ein sinnvoller Maßnahmenkatalog herauskommen wird.