In Zusammenarbeit mit:
Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB)
Humus – aber flott!

Text: JESSICA LIETZE
Dass Humus im Boden gut für das Pflanzenwachstum ist, ist sowohl in der Landwirtschaft als auch im Hausgarten allgemein bekannt. Aber warum eigentlich? Es sind die darin enthaltenen Huminstoffe mit ihren zahlreichen Vorteilen. Das Problem: Sind die Vorräte im Boden einmal aufgebraucht, dauert es Jahrzehnte, bis sich der Humusgehalt wieder regeneriert hat. Das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB) treibt deshalb die künstliche Herstellung von Huminstoffen voran und ist auf diesem Gebiet weltweit führend. Können wir so landwirtschaftliche Böden schnell wieder fit machen?
Huminstoffe im Boden binden Feuchtigkeit und nützliche Mineralien. Sie fördern ein gesundes Ökosystem für Mikroorganismen, die die Biomasse so umwandeln, dass das Pflanzenwachstum gefördert wird. Die Böden müssen weniger bewässert und gedüngt werden und regenerieren sich deutlich schneller. Außerdem puffern Huminstoffe den pH-Wert im Boden ab, so dass z.B. Stickstoff aus Düngemitteln länger im Boden verbleibt und weniger das Grundwasser belastet.
Huminstoffe kommen in der Natur vor und werden über viele Jahre durch biologische Abbauprozesse gebildet. Im Hausgarten kann dies z.B. im Kompost beobachtet werden. Besonders fruchtbare Böden enthalten etwa 3 % Huminsäuren, Torfböden aus Mooren etwa 3 – 10 %. Die Idee, humusarme Böden künstlich mit Huminstoffen anzureichern, ist nicht neu. Doch woher soll der wertvolle Humus kommen? Zahlreiche Unternehmen haben sich in den letzten Jahrzehnten auf die aufwändige Gewinnung und schonende Aufbereitung von Huminstoffen spezialisiert, um sie zum Beispiel für die Landwirtschaft nutzbar zu machen. In einer Vorstufe der Braunkohle, der so genannten Weichbraunkohle, liegt der Humusgehalt beispielsweise bei 85 Prozent. Doch auch diese Ressource ist endlich, ganz zu schweigen von den Umwelt- und Klimafolgen, die mit dem Abbau und der Nutzung der Kohle verbunden sind.

Schnell, kontrolliert und aus Reststoffen hergestellt
Das ATB setzt deshalb auf ein so genanntes „hydrothermales Verfahren“ – und das mit durchschlagendem Erfolg. Dr. Nader Marzban, Experte für Biokohle und Huminstoffe, drückt es so aus: „Was die Natur in Jahren mit Hilfe von Mikroorganismen schafft, erreichen wir in Minuten bis Stunden in einem kontrollierbaren Prozess mit Hitze, Druck und Wasser.“ In der Landwirtschaft, aber auch in der Landschaftspflege oder in Privathaushalten fallen viele organische Abfälle an. „Wir konnten nachweisen, dass sich viele davon ideal für die Humifizierung eignen“, erklärt der Verfahrenstechniker. In einem Hochdruckreaktor vermischt sein Team die Biomasse mit viel Wasser. Unter hohem Druck und Hitze werden schwer abbaubare Bestandteile wie Cellulose aufgeschlossen. Je nach pH-Wert und Temperatur im Reaktor entsteht so entweder mehr Hydrokohle oder künstliche Huminsäure. Während die trockene Verkohlung, auch Pyrolyse genannt, schon seit Jahrhunderten angewendet wird, ist das hydrothermale Verfahren noch sehr jung. Forschung und praktische Anwendung nehmen derzeit Fahrt auf, viele Parameter sind aber noch unklar. „Hier haben wir am ATB in den letzten Jahren Pionierarbeit geleistet! Nur eine Handvoll Forschungsinstitute weltweit hat sich mit dieser Art der Huminstoffproduktion eingehend beschäftigt“, sagt Marzban.

Inhaltlich beschäftigt sich Marzban gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt mit folgenden Fragen: Welche Biomasse-Ausgangsmaterialien können künstlich humifiziert werden? Welche Prozessparameter haben den größten Einfluss auf die Huminstoffproduktion? Wie können sie die Eigenschaften der Produkte beeinflussen? Was sind die Auswirkungen auf Landwirtschaft und Umwelt? Wie viel Kohlenstoff wird durch die Zugabe von Huminstoffen dauerhaft im Boden gespeichert? Und schließlich: Wie erfolgreich sind sie? „Eine neue Art von Mikrodünger auf Huminstoffbasis ist einer unserer Ansatzpunkte. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Zugabe von nur 0,01 % unserer Humifizierungsprodukte in den Boden die Keimfähigkeit der Pflanzen deutlich verbessert und ihnen hilft, mehr Nährstoffe wie Phosphor aufzunehmen.
Testballon, äh …baum
Besonders anschaulich zeigt dies ein Projekt im historischen Park Sanssouci in Potsdam, das vom brandenburgischen Wissenschaftsministerium (MWFK) gefördert wurde. Die alten Bäume dort haben mit jahrelanger Trockenheit zu kämpfen, verlieren an Vitalität und werden anfällig für Krankheiten. Die Parkverwaltung unternimmt große Anstrengungen, um den Baumbestand zu erhalten. Ein gemeinsames Projekt mit dem ATB, dem Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung und Professor Markus Antonietti hat zum Ziel, eine 150 bis 160 Jahre alte Buche zu retten. Dazu wurden künstlich hergestellte Huminstoffe des ATB in den Boden rund um den Baum eingebracht. Die erste Behandlung fand 2022 statt und die ersten Ergebnisse sind beeindruckend: Der Buche geht es im Vergleich zu unbehandelten Bäumen sehr gut. „Natürlich führen wir parallel Versuche an rund 100 kleinen Bäumen durch, um die Ergebnisse zu überprüfen“, ergänzt Marzban.

Auch Biogas steht auf dem Plan
Der Forscher sieht aber noch weitere Potenziale in der Technologie: „Die hydrothermale Humifizierung kann auch andere Prozesse erleichtern, weil sie Reststoffe vollständig verwerten kann, wo andere Methoden Schwierigkeiten haben“. Bei der Biogaserzeugung etwa sind Kohlenhydrate nur schwer abbaubar, und das Lignin in Holzresten hemmt den Prozess. Mit Hilfe der künstlichen Humifizierung kann die Methanausbeute jedoch verdoppelt werden. „Außerdem entsteht ein humusreicher Gärrest, der als Langzeit-Biodünger chemische Düngemittel ersetzen kann“, ergänzt Marzban. Mit dem Verfahren lassen sich auch hochwertige Milch- und Bernsteinsäure gewinnen.
Für ATB liegt die Zukunftsfähigkeit des Verfahrens auf der Hand. „Wir schließen Kreisläufe und ersetzen fossile Ressourcen. Wenn wir sicherstellen, dass unsere Huminsäuren den natürlichen Vorkommen in Qualität und Nutzen in nichts nachstehen – und das können wir nachweisen -, haben wir ein schnelles, kontrollierbares Verfahren, das nachwachsende Rohstoffe nutzt, und das sogar mehrstufig. Die hydrothermale Humifizierung, so die Hoffnung, soll durch die deutlich schnellere und umfangreichere Umwandlung organischer Reststoffe in Huminstoffe eine abfallfreie Produktion vorantreiben und Kohlenstoff im Boden binden“, fasst Marzban zusammen.