In Zusammenarbeit mit:
Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)
Nasses Land für das Klima
Text: STEFANIE EICHLER
In Brandenburgs Mooren könnte der Ausstoß großer Mengen CO2 verringert werden und so dazu beitragen, dass Deutschland seine Klimaziele erreicht. Über Jahrtausende haben sich die Moore aus abgestorbenen Pflanzen zu mächtigen Kohlenstoffspeichern entwickelt. Doch nur unter Wasser bleibt der Kohlenstoff dauerhaft eingelagert. Um die Moore landwirtschaftlich nutzen zu können, wurde vor dreihundert Jahren mit der Entwässerung begonnen. Fachleute erforschen, wie es gelingen kann, die Flächen wieder zu vernässen und sie gleichzeitig als ertragreiche Flächen für die Landwirtschaft zu erhalten.
Dr. Axel Behrendt läuft auf eine Herde Uckermärker Rinder zu. Der Leiter der ZALF-Forschungsstation Paulinenaue im Havelländischen Luch kennt seine Kühe: »Es sind friedliche Tiere.« Auch der 1100 Kilogramm schwere Bulle Eros, der auf den Flächen im Niedermoor grast, sei ganz gemütlich, erläutert der Agrarwissenschaftler. Nur 30 Zentimeter steht das Grundwasser im Mittel hier unter der Oberfläche. Die Torfschicht, also die moorbildende Schicht aus extrem langsam zersetzenden Pflanzenresten, ist rund einen halben Meter dick. Behrendt begleitet das vom Land Brandenburg geförderte Forschungsprojekt »KlimaMoor« wissenschaftlich. Ihm stehen dabei eine Doktorandin und ein Doktorand zur Seite. Zusammen mit sieben Projektpartnern, dem Landesumweltamt, der ARGE Klimamoor und zwanzig Landwirtschaftsbetrieben untersucht Behrendts Team seit 2022, wie Moorflächen wirtschaftlich genutzt werden können und gleichzeitig ihre Funktion als Kohlenstoffspeicher weitestgehend erhalten bleibt.
Das Forschungsprojekt trägt damit dazu bei, die Nationale Moorschutzstrategie, die 2022 von der Bundesregierung beschlossen wurde, umzusetzen. Diese sieht vor, die bundesweiten Emissionen aus Moorböden bis 2030 um mindestens fünf Millionen Tonnen pro Jahr zu reduzieren. »Wenn wir Moore auf eine spezielle Art und Weise bewirtschaften, lässt sich viel Kohlendioxid einsparen«, sagt Behrendt. »Doch es besteht noch großer Forschungsbedarf.« Eine zentrale Frage: Wie hoch darf das Grundwasser maximal ansteigen, damit die Flächen für die Nutzung erhalten bleiben? So könne es nicht darum gehen, die Moore wieder vollständig zu vernässen. Tiere könnten dann nicht mehr auf den Flächen weiden, sie würden einsinken. Der Fachmann zeigt auf einen Graben entlang der Weide mit den Uckermärker Rindern. »Gräben wie diesen sowie den 50 Kilometer langen Großen Havelländischen Hauptkanal ließ König Friedrich Wilhelm I in den Jahren 1717 bis 1724 von Hand ausheben«, erläutert er. Es war ein gewaltiges Projekt, mit dem das Moor- und Sumpfgebiet entwässert wurde. Die trockengelegten Flächen wurden für Weidewirtschaft, Heuproduktion, Ackerbau, Forstwirtschaft und Torfabbau genutzt. Die Entwässerung führte jedoch zu hohen Treibhausgasemissionen. Die Gesamtfläche aller Moore in Brandenburg ist so groß wie Berlin und Hamburg zusammen. Ihr Treibhausgasausstoß in einem Jahr entspricht dem CO2-Ausstoß von 400.000 Menschen im gleichen Zeitraum. Das sind etwa 6,5 Prozent aller jährlichen Emissionen aus der Landwirtschaft. Behrendt rechnet vor, dass je nach »Mächtigkeit« des Moors bei der Trockenlegung vier bis sieben Tonnen Kohlenstoff pro Hektar freigesetzt werden. »Wenn wir tiefe Grundwasserspiegel um nur 30 Zentimeter anheben, können wir die Emissionen fast halbieren«, so der Experte. Damit das gelingt, ermitteln die Fachleute, welche Tiere sich für die Bewirtschaftung eignen. Die Haltung von Uckermärker Rindern zum Beispiel birgt viele Vorteile.
Welche Tiere eignen sich?
Bei seinem täglichen Rundgang überprüft Behrendt, ob es der Herde gut geht. Manchmal ist eine Wurmkur fällig oder das Team ermittelt die Gewichtszunahme der Kälber. Doch darüber hinaus erfordert es kaum Arbeit, die Tiere im Moor weiden zu lassen. Hier wächst von allein, was die Herde für eine gesunde Ernährung benötigt: »Gras mit Weißklee, Löwenzahn, Spitzwegerich und Wiesenschweidel«, sagt Behrendt. »Auf Weiden im Moor müssen Landwirte nichts aussäen, das spart Kosten.« Obwohl das Forschungsteam nur im Winter etwas Heu zufüttert, ist die Milchleistung der Mutterkühe so hoch, dass die Kälber bis zu einem Alter von sieben Monaten durchschnittlich eineinhalb Kilogramm pro Tag zunehmen. »Das ist enorm«, erläutert Behrendt, »da rechnet sich die Fleischproduktion.«
Ein weiterer Pluspunkt: Die Haltungsform entspricht hohen Anforderungen an eine tier- und umweltfreundliche Tierhaltung. Erstens leben die Mutterkühe zwölf bis vierzehn Jahre auf der Weide, während Milchkühe in der Regel nur drei bis vier Jahre alt werden. Zweitens fördern Weidetiere die Artenvielfalt, weil sich Insekten von ihrem Dung ernähren. Drittens haben der Wissenschaftler und sein Team ermittelt, dass weniger als eine Großvieheinheit auf einem Hektar nassem Land weiden darf, damit der Boden die Tiere noch trägt. Das entspricht einer Kuh mit einem Gewicht von rund 500 Kilogramm. Für eine Herde von 30 Rindern werden also 30 Hektar Weidefläche pro Jahr benötigt. Diese geringe Anzahl von Tieren auf der Weide stellt sicher, dass kein Nitrat aus der Gülle das Grundwasser belastet. Bei den Praxispartnern des Projekts kommen diese Vorteile gut an. Mehrere Betriebe haben sich bereits entschieden, im Rahmen des Projektes Uckermärker Rinder auf ihren wiedervernässten Weiden zu halten.
Landwirtschaftliche Wildhaltung und Skudden
Doch auch andere Tiere fühlen sich auf dem nassen Land wohl. Zum Beispiel das Rotwild, das Behrendts Team zusammen mit Rindern auf einer weiteren Versuchsfläche hält. »Sehen Sie Hirsch Hartmut dort im Schatten?«, fragt der Wissenschaftler und weist quer über die Weide. Die weiblichen Tiere haben ein rotbraunes Fell, nur Hartmut glänzt schwarz. »Es ist Brunftzeit und er möchte imponieren, deshalb hat er gerade ein Moorbad genommen«, erklärt der Fachmann. Das Forschungsteam hat herausgefunden, dass sich die Flächen im Niedermoor besonders gut für die landwirtschaftliche Wildhaltung eignen, in Kombination mit herkömmlichen Weidetieren, bei der zum Beispiel Damwild und sogenannte Skudden, eine sehr kleine Schafrasse, gemeinsam weiden. »Während Kühe immer die gleichen Wege nehmen und dabei Pfade in die Wiese trampeln, hat diese Tier-Kombination den Effekt, dass die Tritte gleichmäßig auf der gesamten Fläche verteilt werden«, erläutert Behrendt. Dadurch wird der Boden gleichmäßig verdichtet. »Die Bodenverdichtung ist eine zweite Möglichkeit, um die Freisetzung von Treibhausgasen aus Mooren zu reduzieren«, sagt der Fachmann. Wie die Vernässung senkt auch diese Maßnahme den Sauerstoffgehalt im Moor, so dass die Mikroorganismen den gespeicherten Kohlenstoff kaum noch umwandeln können. Als Ergebnis entweicht weniger CO2 in die Atmosphäre.
Woher kommt das Wasser?
Doch woher soll das Wasser kommen, um die riesigen Flächen zu vernässen? Behrendt steigt in sein Auto. Er muss zurück zur Forschungsstation. Über die Wassergräben rechts und links des Wegs, den er entlangfährt, wird das Moor im Sommer bewässert. »Die Wehre im Havelländischen Hauptkanal, von dem die Gräben abzweigen, werden dann so eingestellt, dass sie das Wasser zurückhalten«, erklärt er, »Der Wasser- und Bodenverband und das Landesumweltamt legen die Wasserstände fest, aber schon jetzt ist das Wasser oft knapp.« Sollen die Pegelstände erhöht werden, wird noch mehr Wasser benötigt. Es besteht die Gefahr, dass es nicht reicht und nicht alle Moore wieder vernässt werden können, so der Experte.
Ein Juwel zur Ermittlung des Wasserbedarfs
Zur Forschungsstation in Paulinenaue gehört ein Hügel, auf dem über hundert zylinderförmige Behälter in den Boden eingelassen wurden. Die Zylinder haben einen Durchmesser von rund einem Meter, sind 1,5 Meter tief und enthalten Moor- und andere Grundwasserböden von 15 verschiedenen Standorten. »Es ist eine der größten Grundwasserlysimeteranlagen in ganz Europa und damit ein Juwel«, erklärt der Wissenschaftler. »Wir können hier den Grundwasserstand genau regulieren und messen, wie viel Wasser wir jeweils benötigen.« Diese Werte rechnet sein Team anschließend auf große Flächen um. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass nasse Moorböden mit torfbildender Vegetation bis zu viermal so viel Wasser verdunsten wie eine Wiese bei herkömmlicher landwirtschaftlicher Nutzung – und die braucht schon rund 500 Millimeter Niederschlag im Jahr. Sollen Flächen wiedervernässt werden, muss dieser erhöhte Wasserbedarf mitgedacht werden. Die untere Öffnung der Lysimeter endet in einem Filter, über den das neu gebildete Grundwasser in einen Probenbehälter abfließen kann. So lässt sich simulieren, welche Nährstoffmengen ausgewaschen werden, wenn die Flächen wieder mehr Wasser führen. »Wenn schnell eine dichte Vegetation etabliert wird, wird der Stickstoff besser im Boden gehalten und es gibt keine erhöhten Nitratwerte im Grundwasser«, erläutert er.
Von seinem Büro neben der Anlage blickt Behrendt direkt auf eine Baustelle. »Wir bekommen ein neues Gebäude für mehr Mitarbeitende, darunter auch zwei Doktoranden, die sich am Projekt KlimaMoor beteiligen«, so der Leiter der Forschungsstation. Dabei geht es auch um die Anlage von sogenannten Paludi-Dauerkulturen, bei der Pflanzen wie Schilf und Rohrglanzgras wachsen, die gut mit Nässe zurechtkommen. Projektpartner vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und BioökonomieBioökonomieDer Begriff Bioökonomie (auch biobasierte Wirtschaft genannt), wie er in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion genutzt wird, umfasst alle industriellen und wirtschaftlichen Sektoren und deren zugehörige Dienstleistungen, die biologische Ressourcen produzieren, ver- und bearbeiten oder diese in verschiedenen Formen nutzen.
(Quelle: https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/lexikon-a-z)
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in Potsdam stellen daraus Dämmplatten und Geschirr her. Hierfür müssen noch Vertriebswege aufgebaut werden. Darüber hinaus lassen sich die Pflanzen auch energetisch nutzen. Allerdings benötigen die Landwirtschaftsbetriebe dann auch einen umgerüsteten Fuhrpark, wie Traktoren mit breiteren Reifen oder Kettenfahrzeuge, die auf den nassen Flächen nicht versinken. Um wiedervernässte Moore gewinnbringend landwirtschaftlich nutzen zu können, bedarf es einer breiten Palette von Bewirtschaftungsmethoden, die auf die unterschiedlichen Bedingungen der Moorstandorte zugeschnitten sind. Ziel ist es, dass bis 2026 alle zwanzig Praxispartner in der Lage sind, auf eine nasse Moornutzung umzustellen. Wie schon gesagt: Es besteht noch großer Forschungsbedarf, doch dank der Arbeit von Dr. Behrendt und seinem Team kommen wir einer nachhaltigen Nutzung unserer Moorböden stetig näher.