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Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie (LSB)

Ohne Fleisch, mit Biss  

Ernährung Klimafolgen Nachhaltigkeit
Versteckt sich hier die Bulette der Zukunft? Foto: Ilaria M / Pexels

Text: GISELA OLIAS & querFELDein

Wir essen zu viel Fleisch und Milchprodukte. Diese Erkenntnis setzt sich bei vielen Menschen immer mehr durch, doch der Verzicht auf tierische Produkte wie Bratwurst und Käse fällt schwer. Vegetarische und vegane Ersatzprodukte sollen eine Alternative darstellen, doch dafür müssen sie die „Originale“ nicht nur geschmacklich, sondern auch in der Textur überzeugend nachbilden. Hier gab es in den letzten Jahren deutliche Fortschritte, aber es bleibt eine Herausforderung. Ein Team des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (LSB) versucht nun, mit Proteinen aus der heimischen Ackerbohne dem Ziel ein Stück näher zu kommen.

Ob im Supermarkt, im Restaurant oder beim Grillabend – vegetarische und vegane Fleisch- oder Milchersatzprodukte sind auf dem Vormarsch. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland rund 121.600 Tonnen Fleischersatzprodukte hergestellt, was einer Steigerung von 16,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. In den letzten sechs Jahren hat sich die Produktion sogar mehr als verdoppelt. Dennoch sind sie im Vergleich zu den konventionellen Vorbildern ein Nischenprodukt. Auch wenn der Marktanteil herkömmlicher Fleischprodukte langsam sinkt, ist er derzeit noch ca. 80-mal höher als der von Veggie-Burger, Tofuwurst & Co.

Das Team am LSB: Dr. Melanie Köhler (links) ist Leiterin der Nachwuchsgruppe Mechanorezeptoren. Ihr Teamkollege Dr. Sanjai Karanth (mitte) ist Erstautor der aktuellen Studie, die er u. a. mit Marina Wiesenfarth (rechts) verfasst hat. Fotos: Andreas Heddergott & Gisela Olias / Leibniz-LSB@TUM

Eine Alternative

Das ist kein Wunder, müssen sich die vergleichsweise neuen Produkte doch gegen Bratwurst, Bulette oder Käse durchsetzen und die gehören für viele Menschen seit Jahrzehnten zum Alltag, trotz aller ökologischen oder gesundheitlichen Bedenken. Eine bessere Chance haben hier Ersatzprodukte, die überzeugend Fleisch- oder Milchprodukte nachbilden. Vielen pflanzlichen Alternativen mangelt es hierbei jedoch noch an der richtigen Textur: Sie sind entweder zu weich, zu trocken oder zerfallen beim Kauen. „Es überrascht daher nicht, dass die Nachfrage nach Biomaterialien groß ist, die dazu beitragen das Mundgefühl von pflanzenbasierten Lebensmittelalternativen zu verbessern“, sagt Dr. Sanjai Karanth, Erstautor einer aktuellen Studie und Forscher in der Nachwuchsgruppe „Mechanoreceptors“ am LSB. Als Lösung hat das Forschungsteam winzige Eiweißfasern im Blick, sogenannte Protein-Nanofibrillen. „Diese könnten über eine Optimierung der Konsistenz pflanzlicher Lebensmittel auch deren Gesamtwahrnehmung und geschmackliche Akzeptanz verbessern“, erklärt Dr. Melanie Köhler, Leiterin der Nachwuchsgruppe.

Wie nehmen wir Textur im Mundraum wahr?

Spezielle Sinneszellen in der Mundhöhle (bspw. der Mundschleimhaut oder auf der Zunge), bestimmen zu einem großen Teil, wie wir die Konsistenz der Nahrung wahrnehmen. Diese Sinneszellen reagieren auf Druck und Reibung und sorgen dafür, dass wir zum Beispiel den Unterschied zwischen einem knusprigen Keks und einem weichen Brot sofort spüren.

Dr. Sanjai Karanth bei Arbeiten am Rasterkraftmikroskop, Foto: Gisela Olias / Leibniz-LSB@TUM

Aber wie können wir mit pflanzlichen Proteinen diese Sinneszellen gezielt beeinflussen, um ein angenehmeres Mundgefühl zu erzeugen? Genau das will das Team herausfinden. Die untersuchten Protein-Nanofibrillen sind mikroskopisch kleine, fadenförmige Eiweißstrukturen mit besonderen Eigenschaften: Sie können Flüssigkeiten binden, eine cremige Konsistenz erzeugen und sogar das Gefühl von Fett im Mund nachahmen – was bei vielen pflanzlichen Produkten fehlt.

Zudem basieren die untersuchten Nanofibrillen nicht wie üblich auf Soja- oder Erbsenprotein. Das Team hat eine nachhaltigere Quelle im Blick: Ackerbohnen. Die ist in Europa heimisch, benötigt wenig Dünger und liefert viel hochwertiges Eiweiß.

Blick ins Labor: Wie wird das untersucht?

Gefördert wird die Forschung der Nachwuchsgruppenleiterin von der Leibniz-Gemeinschaft im Rahmen des Leibniz-Programms Best Minds. Das Herzstück der Forschungsarbeit bildet ein sogenanntes Rasterkraftmikroskop sowie „Testzellen“, mit denen die Forschungsgruppe die Mechanismen der Sinneszellen in unserem Mundraum nachstellen und untersuchen kann. „Wir behandeln die Testzellen, die sensitiv gegenüber Berührung und Druck sind, mit den Nanofibrillen und beobachten mit unserem Spezialmikroskop, wie sie reagieren“, erklärt Teamkollegin Marina Wiesenfarth.

Aufnahmen des Rasterkraftmikroskopes von Protein-Nanofibrillen (links) sowie einer verwendeten Testzelle (rechts). Fotos: Leibniz-LSB@TUM

Die Forschenden stellten so fest, dass die winzigen Proteinfasern mit der Außenhülle der Zellen, der Zellmembran, interagieren. Wie ihre Ergebnisse belegen, machen die Nanofibrillen die Zelloberfläche etwas rauer, was die Integrität und Funktion der Membran beeinflussen kann. Aber das ist noch nicht alles: „Unsere Experimente am Zellmodell zeigen, dass zwei Gruppen von Sensoren in der Zellmembran, bestimmte Mechano- und Chemorezeptoren, ebenfalls auf die Fibrillen reagieren“, sagt Köhler.

Diese Rezeptoren funktionieren ähnlich wie kleine Messfühler: Sie nehmen im menschlichen Körper Reize wahr und leiten das Signal über ableitende Nervenfasern ans Gehirn weiter. Einige von ihnen, die Mechanorezeptoren, reagieren auf mechanische Reize wie Druck. Hierzu gehören auch die Piezo-Rezeptoren, die wahrscheinlich dafür verantwortlich sind, dass wir im Mundraum die Textur von Speisen spüren können. Chemorezeptoren sind dagegen auf chemische Reize spezialisiert und reagieren zum Beispiel auf Fettsäuren. Wie die Forschenden nun nachweisen konnten, änderte sich nach Zugabe der Nanofibrillen zu den Zellen sowohl bei den untersuchten Mechano- als auch den Fettsäurerezeptoren das Ableseprofil ihrer Gene.

Ein weiteres Experiment an einer Art künstlichen Zellmembran zeigte darüber hinaus, dass die Nanofibrillen mit den Hauptbestandteilen der Membran interagieren, den sogenannten Lipiden. Sie reagieren mit den Sinneszellen also nicht nur direkt über die Mechano- bzw. Chemorezeptoren.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Nanofibrillen die Sinneszellen für Textur- und Fettwahrnehmung beeinflussen. Das Team sieht daher die Möglichkeit, dass diese kleinen Proteinstrukturen das Gefühl von pflanzlichen Produkten im Mundraum verbessern und „vollmundige“ Lebensmittel trotz geringer Fettmenge erzeugen könnten.

In Zukunft könnten Protein-Nanofibrillen, die aus Ackerbohnen gewonnen werden, die Textur von Fleisch- und Milchersatzprodukten deutlich verbessern - und das ganz ohne künstliche Zusatzstoffe. Foto: luvjny (CC by 2.0)

Neue Möglichkeiten für die Lebensmittelindustrie

Die Erkenntnisse sind ein wichtiger Schritt für die Entwicklung von neuen, auch in der Textur ansprechenden pflanzlichen Lebensmitteln. „Unsere Forschung steht noch am Anfang“, betont Karanth. „Aber wir haben nun erste Hinweise darauf, wie wir die Texturwahrnehmung gezielt steuern können.“

„Langfristig könnte dieses Wissen dabei helfen, vegane Joghurts cremiger, pflanzliche Käsealternativen geschmeidiger und Fleischersatzprodukte saftiger zu machen – ganz ohne künstliche Zusatzstoffe“, ergänzt Wiesenfarth.

Zurück im Labor läuft die nächste Testreihe. Noch gibt es viele offene Fragen, doch eines ist klar: Die unscheinbare Ackerbohne könnte eine Schlüsselrolle für die Zukunft pflanzlicher Lebensmittel spielen – und dafür sorgen, dass sie nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch ein echtes Geschmackserlebnis werden.

Originalpublikation:

10.3390/foods13213411

Hinweis zum Text:

Dieser Text wurde mithilfe von Künstlicher Intelligenz (ChatGPT 4.o) erstellt, unter Berücksichtigung der Originalpublikation (veröffentlicht unter CC BY 4.0). Alle Inhalte wurden von den verantwortlichen Forschenden sowie dem querFELDein-Team sorgfältig überprüft und überarbeitet.

Einige der in diesem Beitrag verwendeten Bilder stehen unter der Creative Common 2.0-Lizenz.

Institution: Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie (LSB)
Ansprechpartner/in: Dr. Sanjai Karanth & Dr. Melanie Köhler

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