In Zusammenarbeit mit:

Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen

Regenwurm-Party unter Blühstreifen  

Agrarlandschaften Artenvielfalt Boden Landwirtschaft Ökosystemleistungen
Foto: Jonathan Kemper / Unsplash

Dass mehrjährige Blühstreifen an Feldrändern die oberirdische Artenvielfalt fördern, ist durch Studien gut belegt. Sie bieten Insekten und anderen Tieren Nahrung oder können als Winterquartier dienen. Das wiederum kann helfen, Schädlinge auf angrenzenden Feldern in Schach zu halten. Forschende des Julius Kühn-Instituts (JKI) konnten nun zeigen, dass Blühstreifen auch unterirdisch die Artenvielfalt fördern: als Lebensraum für Regenwürmer.

Der Wert der Regenwürmer für unsere Böden kann kaum überschätzt werden. Durch ihr Röhrensystem erhöhen Regenwürmer die Wasserinfiltration in den Boden und beugen so der Bodenerosion vor, was angesichts zunehmender Starkregenereignisse ein wichtiger Beitrag zum Bodenschutz ist. Darüber hinaus sind Regenwürmer entscheidend für die Humusbildung und tragen so zu einer besseren Nährstoffversorgung der Pflanzen bei. Für Bodenexpertinnen und -experten sind Regenwurmgemeinschaften zudem ein wichtiger Indikator für den allgemeinen Gesundheitszustand von Böden.

Überraschend viel & vielfältig

„Gerade weil Regenwürmer eine Vielzahl wichtiger Funktionen im Boden erfüllen, sind die Ergebnisse unserer Studie in mehrfacher Hinsicht relevant. Sie zeigen welches Potenzial mehrjährige Blühstreifen für den Bodenschutz haben“, sagt Dr. Lukas Beule, vom Institut für ökologische Chemie, Pflanzenanalytik und Vorratsschutz am JKI. Als Leiter der Studie verglichen er und sein Team die Regenwurmgemeinschaften in Wintergetreide- und Winterrapsfeldern mit denen in angrenzenden Blühstreifen. Auf insgesamt 46 Flächen in sechs Bundesländern sammelte das Team 7.526 Regenwürmer. Diese wurden mit einer Senföllösung aus dem Boden herausgetrieben, gezählt, gewogen und ihre Artzugehörigkeit bestimmt. Anschließend wurden sie wieder freigelassen, damit sie ihre nützlichen Aufgaben im Boden weiter erfüllen können.

Dr. Lukas Beule (links) & Dr. Anna Vaupel (rechts) vom Institut für ökologische Chemie, Pflanzenanalytik und Vorratsschutz des JKI forschen an Regenwürmern im BMEL-geförderten Projekt "Data and value-based decision-making for a sustainable land use (DaVaSus)", Fotos: Lukas Beule, Kristin Bölter

„Bereits im Feld waren wir von der enormen Anzahl an Regenwürmern positiv überrascht“, berichtet Teamkollegin Dr. Anna Vaupel, die Erstautorin eines aktuellen Artikels zur Studie. Der Eindruck bestätigte sich bei der Auswertung der Daten: Im Durchschnitt fanden die Forschenden in den Blühstreifen mehr als dreimal so viele Regenwürmer wie auf den angrenzenden Ackerflächen. Zudem war die Artenvielfalt an Regenwürmern höher.

Ausbleibendes Pflügen oder Pflanzenvielfalt?

Doch woher kommt diese Vielfalt? „Die im Vergleich zum Acker fehlende Bodenbearbeitung ist sicher ein Hauptgrund“, sagt Vaupel. „Aus früheren Untersuchungen wissen wir aber auch, dass die hohe Pflanzenvielfalt eine Rolle spielt.“ So haben Arbeiten in der Vergangenheit gezeigt, dass mehrjährige Blühstreifen mehr Regenwürmer aufweisen als mehrjährige Feldränder, auf denen „nur“ Gräser wachsen. „Auf beiden Flächen findet kaum Bodenbearbeitung statt. Wir vermuten daher, dass eine höhere Pflanzenvielfalt ein besseres Nahrungsangebot auch für Regenwürmer bietet“, erklärt Beule. Er schlägt deshalb vor, bei der Artenzusammensetzung von Blühstreifen künftig auch die unterirdischen Lebensgemeinschaften zu berücksichtigen, etwa durch den gezielten Einsatz von Leguminosen. „Hier lag der Fokus der Forschung bislang vor allem auf oberirdischen Organismen“, so Beule.

Wie oberirdisch, nur langsamer?

Im Natur- und Artenschutz werden gerne verbindende Landschaftselemente wie Hecken oder Blühstreifen angelegt, um ein Netzwerk zu schaffen, in dem Tiere geschützter wandern und leben können. Lässt sich dieser Ansatz auch auf das Bodenleben übertragen? „Auf jeden Fall“, ist sich Vaupel sicher. Sie gibt allerdings zu bedenken, dass Regenwürmer deutlich weniger mobil sind als beispielsweise Fluginsekten. „Sie verbreiten sich viel langsamer. Während Hecken lange stehen bleiben, werden mehrjährige Blühstreifen meist nach fünf Jahren umgepflügt. Das schränkt die Bodentiere bereits ein.“ Das Team schlägt daher eine Staffelung im Umpflügen von Blühstreifen vor: In einem Jahr wird die Hälfte des Blühstreifens umgepflügt und neu eingesät, ein Jahr später die andere Hälfte. „Dann stünde jeweils eine ungestörte Fläche als Lebensraum zur Verfügung“, sagt Beule.

Wichtig ist auch die Lage des Blühstreifens. An Feldrändern fördern Grasstreifen durch ihre Bodenruhe oft schon die Regenwürmer. Mehrjährige Blühstreifen sind daher inmitten von Feldern besonders wertvoll. Auch im Hinblick auf eine Wiederbesiedlung von Äckern, auf denen die Regenwurmpopulationen eingebrochen sind, sei es durch Bodenbearbeitung, Phasen ohne Bewuchs oder eine Dürreperiode.

Für Regenwürmer sind mehrjährige Blühstreifen besonders inmitten von Feldern wertvoll. An Feldrändern finden sie oft ohne Blühstreifen einen Lebensraum. Foto: Roman Eisele (CC BY-SA 4.0)

Hoffnungsträger, aber noch nicht am Ziel

Um das Potenzial von mehrjährigen Blühstreifen für das Bodenleben voll ausschöpfen zu können, sind noch viele Fragen offen. Welche Pflanzenmischungen fördern das Bodenleben in welchen Bodenarten am besten? Wie weit reichen die positiven Effekte der Blühstreifen in den Acker hinein? „Wir wissen aus eigenen Studien u. a. mit Baumstreifen in Agroforstsystemen, dass Distanzeffekte von Regenwürmern in gepflügte Äcker hinein eher gering ausfallen und stark von der jeweiligen Regenwurmart abhängen“, so Beule, der ähnliche Ergebnisse auch für Blühstreifen erwartet. „Spannend wird es allerdings bei Feldern mit reduzierter Bodenbearbeitung“, ergänzt der Studienleiter und betont, dass sich die Vorteile ohnehin nicht nur auf Blühstreifen beschränken: „Viele von Regenwürmern erbrachte Funktionen, wie z. B. Erosionsschutz durch erhöhte Wasserinfiltration oder eine verbesserte Nahrungsgrundlage für andere Organismen sind von Vorteil für das gesamte Agrarökosystem.“

Hinweise zum Beitrag

Einige der in diesem Beitrag verwendeten Bilder stehen unter der Creative Common 4.0-Lizenz.

Erschien zuerst im/auf: Website des Julius-Kühn-Institutes
Institution: Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Ansprechpartner/in: Dr. Anna Vaupel & Dr. Lukas Beule

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