In Zusammenarbeit mit:
Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V.
Auf dem Boden der Tatsachen
Text: TOM BAUMEISTER
Der Hauptgrund für den derzeitigen Klimawandel ist zu viel Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre. Doch andere Treibhausgase dürfen wir deshalb nicht unterschätzen. Methan, zum Beispiel, wirkt in der Atmosphäre ca. 34-mal klimaschädlicher als die gleiche Menge Kohlenstoffdioxid und sein Anteil am menschengemachten Klimawandel wird auf bis zu 20 % geschätzt. Nicht zuletzt aufgrund der Nutztierhaltung, aus der ein Großteil der Emissionen stammt, wird dieser Anteil noch weiter steigen. Ein Forschungsteam in Müncheberg untersuchte nun, wie unsere Böden dabei helfen können, den Methangehalt in der Atmosphäre zu verringern.
Für diejenigen, die lieber hören, statt lesen
Download»Das Treibhausgas Methan ist kein Nischenthema«, so Prof. Steffen Kolb, »aber im Vergleich zu Kohlenstoffdioxid gibt es hier noch größere Wissenslücken, die wir erforschen müssen«. Weitestgehend bekannt ist, wo die zunehmenden Emissionen des Treibhausgases Methan herkommen. Neben dem Tierhaltungssektor mit Milliarden von Nutztieren weltweit, gehören auch die auftauenden Permafrostgebiete, der Bevölkerungsanstieg im Allgemeinen sowie die gestiegene Reisproduktion im asiatischen Raum zu den größten Verursachern. Hinzu kommen natürliche Quellen, wie Termiten in den Trockengebieten Afrikas und Australiens sowie Feuchtgebiete und Moore. Kolb und sein Team vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V. interessiert aber weniger, wo das Gas auf der Welt freigesetzt wird. Sie betrachten vielmehr den zweiten Teil der Gleichung: »Wir schauen uns an, wie das Methan wieder abgebaut wird, wenn es einmal in die Atmosphäre gelangt ist, und welchen Beitrag unsere Böden dazu leisten.« Denn genau hierzu weist die Datenlage größere Forschungslücken auf.
»Bislang wurden in globalen Berechnungen zu Methanquellen und -senken, zum Beispiel in den Berichten des Weltklimarates, für verschiedene Formen der Landnutzung stark vereinfachte Annahmen verwendet: Feuchtgebiete setzen Methan frei, Wälder entziehen das Gas aus der Atmosphäre und Grünland verhält sich neutral«, so Kolb. Bisherige Studien, die es etwas genauer wissen wollten, basieren überwiegend auf Satellitendaten und Computermodellen. Das Team um Kolb arbeitete im DFG-geförderten Projekt »BE_CH 4« sprichwörtlich bodenständiger: »Wir haben fast 300 Bodenproben aus Wäldern und Grünlandflächen in ganz Deutschland erhoben und zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Greifswald und Hohenheim ausgewertet.« Die Ergebnisse zeigen ein deutlich differenzierteres Bild, als es bisherige Annahmen nahelegten.
Die Stellschraube
Doch welchen Anteil haben unsere Böden denn überhaupt am globalen Methanabbau? »Der weitaus größte Teil des Methans wird durch chemische Reaktionen in der Atmosphäre selbst zu Kohlenstoffdioxid umgewandelt und so deutlich weniger schädlich gemacht«, erklärt Kolb. Der Mensch hat aber kaum Einfluss auf den Methanabbau in der Atmosphäre. Der Prozess ist abhängig von Faktoren wie der Lichteinstrahlung und dem Wetter. Hinzu kommt, dass die Atmosphäre hier scheinbar ein Limit erreicht hat: »Sie kann nicht mehr Methan abbauen, als sie es jetzt schon leistet«, so Kolb, »und ihre ›Selbstreinigungskräfte‹ nehmen in Zeiten der Industrialisierung eher noch ab.«
Für ihn sind Böden deshalb die wichtigste Stellschraube: »Bis zu 10 Prozent des Methans werden bislang durch methanfressende Bakterien in der obersten Schicht unserer Böden verarbeitet«, so Kolb, der sich als Experte für mikrobielle Biogeochemie auf das Leben und die Wechselwirkungen im »ganz Kleinen« spezialisiert hat. Er betont, dass das Gas im Boden abgebaut und nicht gespeichert wird. »Die Hälfte des aufgenommenen Methans wird durch die Bakterien in mikrobielle Biomasse umgewandelt, die andere Hälfte in Kohlenstoffdioxid. Das ist natürlich selbst ein Treibhausgas, aber deutlich weniger schädlich als Methan.« Die für ihn beste Nachricht ist jedoch, dass die Böden noch Potenzial haben, also noch mehr Methan verarbeiten können und: dass der Mensch sie dabei unterstützen kann. »Wir müssen dazu besser verstehen, wie unsere Landnutzung den methanfressenden Bodenbakterien bei ihrer Arbeit helfen oder sie auch behindern kann.«
Feldarbeit
In jeder Bodenprobe ermittelte das Team die Art und Menge der vorkommenden, methanfressenden Bakterien. Mit Informationen zu Pflanzenbewuchs und der Intensität der Landnutzung vor Ort vervollständigt sich nach und nach das Bild: Grundsätzlich bauen Wälder mehr Methan ab als Grünland. Sie haben auch den Vorteil, dass offensichtlich die Intensität, mit der der Wald bewirtschaftet wird, kaum Einfluss auf den Methanabbau hat. Bedeutsam ist jedoch die Zusammensetzung des Waldes. Mischwälder mit Buchen und Ahorn sowie alten Bäumen schlagen sich besser als zum Beispiel reine Nadelwälder. Die Bakterien in Grünlandflächen reagieren sensibler auf die Intensität der Landnutzung. Wird zum Beispiel viel gedüngt, nimmt die Fläche im Mittel gar kein Methan mehr auf. Extensiv genutzte Grasflächen mit vielen Pflanzenarten hingegen bauen Methan zuverlässig ab.
Im Wettlauf gegen den Klimawandel erlauben Studien wie die von Kolb und seinem Team, das Treibhausgas Methan in seiner Wirkung besser einschätzen zu können. Doch was tun mit diesem Wissen? Die gesamte Landnutzung darauf auszurichten ist unrealistisch. »Wälder und Grünland haben offensichtlich noch viele andere Funktionen zu erfüllen, der Abbau von Methan ist nur eine davon«, so Kolb. »Doch die gute Nachricht ist, dass unsere Ergebnisse viele Überschneidungen mit anderen Nachhaltigkeitszielen aufzeigen. Eine ressourcenschonende Landnutzung, die Tier- und Pflanzenarten schützt, macht unsere Landschaften generell widerstandsfähiger in Zeiten des Klimawandels, schützt das Grundwasser und fördert die Biodiversität.« Dank des Projektes BE_CH 4 kennen wir nun ein weiteres Argument, weshalb wir unsere Landnutzung dahingehend ausrichten sollten: den verbesserten Abbau von Methan.