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Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ)

Eine gute Kombi – Von Fischen, Salat und geregelten Umwelten  

Agrar- und Gartenbautechnik Dünger Ernährungssicherheit Nachhaltigkeit
Zu sehen ist die Kultur von Salat im Gewächshaus.
Kultur von Salat im Gewächshaus © Sarah Pinho | IGZ

Text: NORA LESSING

Gemüse muss nicht unbedingt aufs Feld. Andere Anbausysteme, zum Beispiel in Gewächshäusern und Indoor-Farmen, können ressourcenschonender, emissionsärmer und ertragreicher sein. Diese zu optimieren ist das Ziel von Forschungsteams am Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ).

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Eine der größten Herausforderungen in der Lebensmittelproduktion: die wachsende Weltbevölkerung gut, sicher und umweltschonend zu ernähren. Das bedeutet auch, den Gemüseanbau zukunftsfähig zu gestalten. Wann immer Gemüse auf dem Feld wächst, fallen zwar kaum Energiekosten an, dafür aber können die Erträge im Vergleich zu alternativen Anbauformen weitaus niedriger sein. Zudem versickern und verdunsten auf Feldern große Mengen an Wasser und es gehen Nährstoffe verloren. Angesichts des Klimawandels ist zu erwarten, dass sich Herausforderungen auf dem Feld verschärfen – und der Anbau in geschützteren Umwelten wichtiger wird. Mit solchen Alternativen beschäftigen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) e.V.

Eine Möglichkeit für die Kultivierung von Tomaten, Salat und Co. ist die Hydroponik: Dabei werden Pflanzen zum Beispiel in Gewächshäusern in Nährlösung angebaut, ganz ohne Erde. Hier wachsen sie häufig auf einem anorganischen Substrat wie Steinwolle, unter anderem damit sich die Wurzeln der Pflanzen daran „festhalten“ können. Eine weitere Möglichkeit sind erweiterte, hydroponische Systeme, in denen Fischzucht und Gemüseanbau kombiniert werden – die sogenannte Aquaponik. Ein Vorteil dieser Systeme: Vieles in der Umgebung wird so geregelt, dass es für die Pflanzen optimal ist, zum Beispiel die Nährstoffzufuhr und die Bewässerung. Je mehr Einflussfaktoren kontrolliert werden, desto komplexer wird jedoch die Steuerung und desto höher klettern auch die Anschaffungskosten für die Anlage und die Energiekosten im laufenden Betrieb.

Im Vergleich zum Feldgemüseanbau können dennoch die Vorteile überwiegen. „Man hat zum Beispiel einen relativ hohen und vorhersagbaren Ertrag pro Quadratmeter“, sagt Dr. Oliver Körner, IGZ-Experte für Gewächshausanbau und Indoor-Farming. „Außerdem kann man ganzjährig anbauen und der Wasserverbrauch kann im Vergleich zum Freilandanbau um mehr als 90 Prozent reduziert sein.“ Hintergrund ist, dass die Bewässerung der Pflanzen im Gegensatz zum Anbau auf dem Feld gezielter erfolgen und überschüssiges Wasser im System gehalten und wiederverwendet werden kann, statt zu versickern. Auch lässt sich Dünger in klimageregelten Umwelten leichter dosieren und die Zugabe auf den konkreten Bedarf der Pflanzen abstimmen. Gründe genug also, unter anderem den Anbau im Gewächshaus stärker in den Blick zu nehmen und mittels wissenschaftlicher Erkenntnisse gezielt zu verbessern.

Fischwasser für die Pflanzen

Im Projekt „Blue-Cycling“ untersucht Oliver Körner derzeit, wie sich in klimageregelten Umwelten noch mehr Wasser sparen lässt – und gleichzeitig Nährstoffe effizienter eingesetzt werden können. So entwerfen der Wissenschaftler und sein Team gemeinsam mit sechs internationalen Projektpartnern neue Komponenten für Aquaponiksysteme – unter anderem neuartige Filtersysteme, Systeme zur Wasseraufbereitung sowie zur Optimierung der Nährstoffzusammensetzung. Kombiniert wird hier die Zucht von Fischen wie Buntbarschen mit dem Anbau von Tomaten und Salat. Durch die Ausscheidungen der Fische ist das Wasser, in dem sie leben, reich an Nährstoffen und kann zum Düngen der Tomaten und des Salats weiterverwendet werden. Durch geschickte Planung und Steuerung kann es dabei gelingen, dem Fischbecken immer nur genau so viel Wasser zu entnehmen und durch Frischwasser zu ersetzen, wie die Pflanzen für ihr Wachstum benötigen. Damit das gelingt, arbeiten Körner und sein Team mit Computermodellen und Sensoren, die in Experimenten mit den Pflanzen Parameter wie Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Nährstoffzufuhr überwachen. Am Ende soll ein geschlossenes System stehen, in dem Fische und Pflanzen beste Lebensbedingungen vorfinden – und zwar ohne dass Wasser unnötig zu Abwasser wird und ohne dass über das Fischfutter hinaus Nährstoffe zugegeben werden müssen. Doch das hört sich einfacher an, als es ist.

Eine Unterwasseraufnahme von Buntbarschen.
Tilapia in Hydroponik © Hendrik Monsees | IGZ

Die Fischzucht kann zwar ausreichend Nährstoffe für die Pflanzen liefern, diese sind jedoch überwiegend in Feststoffen aus den Fischausscheidungen gebunden. Bisherige Aquaponikanlagen sind nicht in der Lage, den Pflanzen diese Nährstoffe zugänglich zu machen – sondern nur die, die im Fischwasser gelöst sind. Die Folge: Die Nährstoffkonzentration im Fischwasser ist für die optimale Düngung der Pflanzen zu gering. Auch ist die Zusammensetzung der Nährstoffe aus dem Fischwasser nicht optimal auf den Bedarf der Pflanzen abgestimmt. Wie lässt sich das lösen? „Unter anderem planen wir, Teile des Fischwassers zu konzentrieren, um die Nährstoffdichte zu erhöhen. Außerdem wollen wir Nährstoffe aus den Feststoffabfällen – also aus den festen Bestandteilen der Fischfäkalien und den Futterresten, die bislang noch nicht verwertet werden konnten – so aufbereiten, dass wir das Wasser damit für die Pflanzen anreichern können.“ Wünschenswert wäre es, das Fischfutter sowohl auf die Bedarfe der Fische als auch auf die der Pflanzen abzustimmen – das ist aber überaus kompliziert. Eine weitere Herausforderung: Die Pflanzen gedeihen in einem leicht sauren Milieu am besten. Das allerdings behagt den Fischen nicht besonders. Um allen Spezies gerecht zu werden, müssen die Forschenden das dem Fischbassin entnommene Wasser mit Säure behandeln, sodass der pH-Wert sinkt, bevor sie die Pflanzen damit bewässern.

Bis 2026 will das Team ein modulares Konzept für Aquaponikanlagen entwickeln, mit dem sich einfache, günstige, im laufenden Betrieb wasser-, ressourcen- und energiesparende Anlagen bauen lassen. Einsetzbar sollen diese Module möglichst überall auf der Welt sein, besonders aber in sehr trockenen Gegenden und in den Ländern des Globalen Südens, in denen sauberes Wasser häufig knapp ist und Wasser zu sparen daher hohe Priorität hat. „Wenn wir es schaffen, dass am Ende nur Wasser und Fischfutter zugegeben werden müssen, wäre viel gewonnen. Darüber hinaus wäre wünschenswert, Schlachtabfälle und Pflanzenreste umweltfreundlich zu verwerten, zum Beispiel in Biogasanlagen, sowie die nötige Energie aus nachhaltigen Quellen wie Solar- oder Windkraft zu gewinnen. Wenn uns das alles gelingt, dann hätten wir ein wirklich sehr umweltfreundliches System“, fasst Oliver Körner zusammen.

Luft gegen Lachgas

Wie der Anbau im Gewächshaus möglichst ressourceneffizient und klimafreundlich gestaltet werden kann, ist eine Frage, die auch IGZ-Forscher Stefan Karlowsky umtreibt. Im Projekt „HydroN2O“ untersuchte der Experte für Nährstoffkreisläufe Lachgasemissionen beim hydroponischen Anbau von Gurken und Tomaten. Er und sein Team wollen herausfinden, unter welchen Bedingungen besonders wenig Lachgas frei wird. Dessen Entstehung geht auf das Konto von Mikroorganismen: „Ein Teil des Stickstoffs aus dem Düngemittel wird beim Gemüseanbau stets von Mikroorganismen in Distickstoffmonoxid, also Lachgas, umgesetzt – was wir möglichst verhindern wollen.“ Der Erderwärmungseffekt des Gases ist nämlich ungefähr 300-mal so stark wie der von Kohlenstoffdioxid. Entsprechend wichtig ist es, diese Emissionen auf ein Minimum zu reduzieren.

Ältere Studien legten nahe, dass die Lachgasemissionen im Gemüseanbau – auf dem Feld ebenso wie im Gewächshaus – erheblich sein können. Zwar hausen im Ackerboden weit mehr Mikroorganismen als im Substrat der hydroponisch angebauten Gemüse im Gewächshaus. Aber auch Steinwolle und Co. werden mit der Zeit besiedelt und so kann es auch hier zu unerwünschten Emissionen kommen. Karlowsky und sein Team überprüften deshalb, wie viel Lachgas beim hydroponischen Anbau tatsächlich frei wird. Zudem wollten sie Wege finden, die Emissionen auf ein Minimum zu begrenzen – durch die geschickte Regelung der Umweltbedingungen. Eine Anbausaison lang überwachten die Forschenden im Gewächshaus eines Gartenbaubetriebs die Emissionen. Das Substrat und die Wurzeln der Pflanzen packte das Team dazu jeweils in kleine, geschlossene Kammern mit einem abgegrenzten Luftraum und entnahm daraus alle 20 Minuten Gasproben. „Über den Konzentrationsanstieg des Lachgases konnten wir dann die Emissionsrate berechnen und beobachten, wie sie sich über die Saison entwickelt.“

Die gute Nachricht: Insgesamt fielen die Lachgasemissionen im untersuchten Betrieb deutlich geringer aus, als ältere Studien nahegelegt hatten. Zu verdanken ist das, vermutet Stefan Karlowsky, den optimierten Bedingungen, unter denen heutzutage die kommerzielle Gemüsezucht stattfindet. Temperatur, Nährstoff- und Wasserzufuhr werden dabei sehr gezielt an die Bedürfnisse der Pflanzen angepasst. Wie die Ergebnisse der IGZ- Forschenden zeigen, ist das am Ende nicht nur gut für den Ertrag, sondern auch fürs Klima. Im hochmodernen Gewächshaus des IGZ führten Stefan Karlowsky und sein Team weitere Experimente durch , um zu sehen, unter welchen Anbaubedingungen die Emissionen in die Höhe schießen. „Da zeigte sich ganz klar: Die Emissionen steigen immer dann, wenn die Temperatur im Wurzelraum hoch ist, zu viel gedüngt wird, der pH-Wert nicht im leicht sauren, sondern im neutralen Bereich liegt und wenn Staunässe entsteht“, sagt der Forscher.

Es sind also für die Pflanzen ungünstige Anbaubedingungen, die auch in besonderem Maße klimaschädlich wirken. Wie sich diese vermeiden lassen, hat das Forschungsteam ebenfalls untersucht: „Anders als häufig befürchtet, ist dafür kein großer technischer Mehraufwand nötig. Vielmehr geht es darum, bestehende Prozesse zu optimieren, um die Pflanzen möglichst bedarfsgerecht zu versorgen.“ Konkret bedeutet das zum Beispiel, den Pflanzen immer nur so viel Düngemittel zuzuführen, wie sie gerade aufnehmen können, und sie nicht zu überwässern. Als besonders effizient erwies sich zudem, dem Substrat Luft zuzuführen. „Wenn die Sauerstoffverfügbarkeit im Wurzelraum der Pflanzen erhöht ist, entsteht kaum Lachgas“, sagt Stefan Karlowsky. Hintergrund ist, dass sich sogenannte Denitrifizierer – Bakterien, die Nitrat in Lachgas umwandeln – dann nicht mehr so gut vermehren können. Die Nährlösung gezielt mit Sauerstoff anzureichern kann daher helfen, die Aktivität dieser Bakterien gering zu halten. Insgesamt machen die Ergebnisse nicht nur für den hydroponischen Anbau von Gurken und Tomaten Hoffnung. Die Forschung der IGZ-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler zeigt: Die genaue Beobachtung von Stoffflüssen und geschicktes Prozessmanagement können dafür sorgen, dass der Gemüseanbau in Zukunft insgesamt klimagerechter und ressourcenschonender wird.

Erschien zuerst im/auf: Forschungsfelder Magazin, Ausgabe 01/23
Institution: Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ)
Ansprechpartner/in: Dr. Oliver Körner und Stefan Karlowsky

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