In Zusammenarbeit mit:
Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS)
Ländliches Ehrenamt auf dem Weg ins digitale Zeitalter
Text: FELIX MÜLLER & ARIANE SEPT
Zivilgesellschaftliches Engagement ist für lebendige ländliche Räume unerlässlich. Für dieses Engagement werden digitale Werkzeuge und Kompetenzen benötigt. Doch das Wissen über den Stand der Digitalisierung des ländlichen Ehrenamts ist noch sehr begrenzt. Ein neues Forschungsprojekt soll Abhilfe schaffen.
Welche Rolle spielt das Ehrenamt auf dem Land?
Für ein attraktives Leben auf dem Land ist gerade in Dörfern ein freiwilliges Engagement unverzichtbar – aber auch um den besonderen Anforderungen in ländlichen Regionen gerecht werden zu können, bedarf es der Gemeinschaft. Ehrenamtlich getragene Initiativen sowie ein lebendiges Vereinsleben tragen dazu bei, dass es den Menschen auch außerhalb von Städten an nichts fehlt und sie dort bleiben können.
Freiwilliges Engagement und gemeinsame Projekte halten die Gesellschaft zusammen: beides sind zentrale Faktoren für ein gutes Funktionieren des Landlebens und wirken zudem vorbeugend gegen Landflucht. Nicht nur der Einsatz in der freiwilligen Feuerwehr, der Kirche, beim Sport oder bei der Landjugend, sondern auch jegliche Form der Nachbarschaftshilfe sind ausschlaggebend, ob das Leben für die Menschen auf dem Land umsetzbar und angenehm ist.
Laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist auf dem Land das ehrenamtliche Engagement besonders groß. 45,5 Prozent der Menschen in ländlichen Regionen sind ehrenamtlich aktiv. Mehr als die Hälfte der Ehrenamtlichen verbringt bis zu zwei Stunden wöchentlich mit ehrenamtlichen Tätigkeiten. Da Ehrenamt zwar unentgeltlich, aber nicht umsont ist, bedarf es einer Stärkung der ländlichen Räume und der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse.
Die Bedeutung der Digitalisierung beim Ehrenamt auf dem Land
Das alltägliche Leben in ländlichen Räumen basiert – wie bereits erwähnt – in besonderer Weise auf ehrenamtlichem Engagement, wobei zunehmend auch digitale Technologien zum Einsatz kommen. Apps und digitale Anwendungen können unterstützend bei Vernetzung, Mobilität und Nahversorgung wirken. In den letzten Jahren mehren sich Kampagnen, mit denen eine Digitalisierung des Ehrenamts gezielt unterstützt werden soll. Die Kampagnen- und Förderpraxis zur Digitalisierung des Engagements in ländlichen Räumen eilt jedoch einer Bestandsaufnahme derselben voraus: systematische Erkenntnisse zur Verbreitung und Nutzung digitaler Werkzeuge (digitale Kommunikationsmittel und Projektmanagement-Tools, soziale Medien oder Apps) sowie Praktiken im Ehrenamt in Deutschland liegen bislang nur rudimentär vor. Deshalb gibt es einen großen Bedarf nach einer soliden Datenbasis.
Besonders die Corona-Pandemie zeigte, welches Ausmaß die Bedeutung der Digitalisierung in Deutschland ganz allgemein erreicht hat: Ohne dem Homeoffice und den teils zugehörigen Online-Meetings sowie dem digitalen Unterricht wären viele Bereiche des Alltags zum Erliegen gekommen. Genau diese Art der digitalen Vernetzung und flexible Arbeitsmodelle bieten ländlichen Regionen eine große Chance auf dem Weg zu gleichwertigen Lebensverhältnissen.
Nicht erst seit der Covid-19-Pandemie, aber durch sie noch einmal verstärkt, gilt Digitalisierung als zentraler Entwicklungsfaktor für ländliche Räume. Die bisherige Forschung des Leibniz-Instituts für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) hat zudem gezeigt, dass soziale Innovationen und Digitalisierungsprojekte in ländlichen Regionen vielfach auch im Bereich des Ehrenamtes passieren oder ehrenamtlich vorangetrieben werden.
Wie sieht die Forschung in diesem Bereich aus und welche Ergebnisse werden erwartet?
Am IRS startet unter Leitung von Dr. Ariane Sept und gemeinsam mit dem Think & Do Tank neuland21 das Forschungsprojekt „Zwischen Appstore und Vereinsregister – Ländliches Ehrenamt auf dem Weg ins digitale Zeitalter“, kurz „AppVeL“.
Das Projekt soll ein aktuelles Bild des Einsatzes von und Umgangs mit digitalen Technologien im Ehrenamt in Deutschland mit Fokus auf die ländlichen Räume schaffen – differenziert nach Raumtypen, Organisationsprofilen und Altersstruktur der Engagierten. Das Projektteam wird dazu unter anderem eine Online-Befragung ehrenamtlicher Organisationen in ländlichen Räumen durchführen. Die Erhebung gehört zu den ersten ihrer Art. „Wir leisten hier einen wesentlichen Beitrag dazu, die Digitalisierung des ländlichen Ehrenamts gezielt zu fördern“, sagt Projektleiterin Ariane Sept.
Das Projekt untersucht im Rahmen einer empirischen Erhebung den Stand der Digitalisierung im Ehrenamt in ländlichen Räumen Deutschlands. Dabei soll geklärt werden,
- in welchem Umfang und in welcher Art und Weise die Digitalisierung in die ehrenamtliche Arbeit Einzug gehalten hat,
- ob und inwiefern sich raumbezogene, organisationsbezogene oder andere Unterschiede in der Verbreitung und Nutzung digitaler Technologien feststellen lassen,
- welche Chancen und Risiken digitale Technologien für die weitere Entwicklung des ländlichen Ehrenamts bieten,
- welche Unterstützungsbedarfe im Kontext der Digitalisierung des Ehrenamts bestehen, sowie
- welche Rolle das zivilgesellschaftlich getragene Engagement für die Digitalisierung im ländlichen Raum spielt.
Darauf aufbauend will das Projektteam eine fundierte Einschätzung zu den Chancen und Risiken des Technologieeinsatzes im ländlichen Ehrenamt treffen. „Die Vorteile der Digitalisierung für das Ehrenamt im ländlichen Raum werden zwar immer wieder hervorgehoben, es gibt bisher aber noch zu wenig fundierte Erkenntnisse dazu“, sagt Sept. AppVeL wird über das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung (BULE) des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert. Das Projekt ist eingebettet in eine Gemeinschaft von elf geförderten Forschungsprojekten, die in ganz Deutschland zum Themenfeld „Ehrenamtliches Engagement in ländlichen Räumen“ forschen.
Weiterführende Informationen
Förderprogramm “Ehrenamtliches Engagement in ländlichen Räumen” im Rahmen des Bundesprogramms Ländliche Entwicklung (BULE)”: https://www.ble.de/DE/Projektfoerderung/Foerderungen-Auftraege/Kompetenzzentrum-Laendliche-Entwicklung/Ehrenamt/Ehrenamt_inhalt.html
Das Forschungsvorhaben AppVeL (Laufzeit: 05/2021 – 04/2023) gliedert sich zeitlich in drei Arbeitsphasen und inhaltlich in vier Arbeitspakete: Die ersten drei Arbeitspakete entsprechen den drei Projektphasen: 1. die Erhebung, Aufbereitung und erste Auswertung quantitativer Daten, 2. qualitative Vertiefungs- und Experteninterviews sowie 3. die Synthese der Befragungsergebnisse, die Ableitung von Handlungsempfehlungen, die Erstellung mehrerer Publikationen sowie eine Fachkonferenz. Das vierte Arbeitspaket, die Kommunikation zum Forschungsvorhaben und der Wissenstransfer in Wissenschaft und Praxis, findet kontinuierlich und projektbegleitend statt.
Neuland 21 und das IRS bearbeiten die vier Arbeitspakete gemeinsam, wobei jeweils eine Organisation den Lead und die Koordination des jeweiligen Arbeitspakets übernimmt. Das IRS leitet und koordiniert die Arbeitspakete 1 (quantitative Erhebung) und 3 (Synthese, Veröffentlichungen u. Ableitung von Handlungsempfehlungen). In der Ergebniskommunikation adressiert das IRS stärker die wissenschaftliche Community in Deutschland und international, während Neuland 21 überwiegend die praxisorientierte Fachgemeinschaft in den Blick nimmt.