In Zusammenarbeit mit:
Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)
Masterplan für den Boden
Text: HEIKE KAMPE
Er ist Wasserfilter, Lebensraum, Ernährungsgrundlage – der Boden erfüllt viele Funktionen. Doch er ist auch empfindlich. Seine Struktur leidet unter tonnenschweren Maschinen. Der Anbau von variationsarmen Fruchtfolgen kann Krankheiten fördern und immer häufiger schwemmt Starkregen seine fruchtbaren Schichten davon. Damit die Böden auch in Zukunft die Menschheit ernähren können, muss sich etwas ändern. Die Agrarwissenschaftlerin Anja-Kristina Techen untersuchte, wie dieser Wandel aussehen könnte.
Für diejenigen, die lieber hören, statt lesen
DownloadEin breiter Streifen aus hochgewachsenen Pappeln steht auf dem Acker. Daneben, auf der angrenzenden Fläche, streckt der Weizen seine Halme in die Höhe. Bäume und Getreide wechseln sich in einem regelmäßigen Muster ab, Reihe um Reihe zieht sich durch die Landschaft. Zwischen den hohen Gehölzen wachsen Weizen, Mais oder Hafer. Noch sieht man diese Art des Anbaus, die Fachleute als Agroforstsystem bezeichnen, in Deutschland nur auf wenigen Versuchsflächen. Doch die Methode könnte zukunftsweisend sein, denn sie hat Vorteile: Die Gehölzstreifen schützen Boden und Kulturen vor Wind und Wasserverdunstung und beherbergen zahlreiche Nützlinge. Befürworter der Agroforstwirtschaft erhoffen sich von diesen positiven Effekten stabilere und höhere Erträge. Bäume und Ackerkulturen auf einer Fläche – diese Idee ist nur eine von vielen weiteren, die das Gesicht der Landwirtschaft verändern könnten. Dr. Anja-Kristina Techen vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V. untersuchte welche Maßnahmen im Bodenmanagement besonders erfolgversprechend sind. Sie arbeitete im BMBF-geförderten Projekt BonaRes, dem deutschlandweit größten Forschungsverbund zum Thema Boden. Die Ergebnisse der Arbeiten sollen zeigen, wie Boden künftig nachhaltiger genutzt und Erträge bodenschonend gesteigert werden können.
Kleiner und leichter
Doch wie genau kann die Agrarwirtschaft in fünf, zehn oder 20 Jahren aussehen? Wie wird künftig gesät, gedüngt, bewässert, der Boden bearbeitet oder geerntet? Seite um Seite Fachliteratur wälzte Techen, um Antworten auf diese Fragen zu finden. Sie suchte nach Hinweisen für Veränderungen und nach Gründen und Anreizen für ein neues Bodenmanagement. Für ihre Zukunftsstudie hat sie mehr als 260 Literaturquellen ausgewertet sowie Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Praxis und Politik befragt.
Es zeigt sich: »Es gibt starke Signale für einen Wandel.« Kleinräumiger, vielfältiger, digitaler – während einige Ansätze bisher lediglich in der Forschung diskutiert werden, wird es bei anderen bereits konkreter.
So ist die Digitalisierung längst auch auf dem Acker angekommen – und wird sich noch weiter verstärken. »Wir werden mehr autonome Landmaschinen bekommen, daran zweifelt eigentlich niemand mehr«, erklärt Techen. Dabei geht es nicht nur um selbstfahrende Mähdrescher oder Traktoren, die per GPS navigieren. Denn für die Bodenfunktionen ist es zunächst einmal egal, ob eine schwere Maschine von einem Menschen gefahren wird oder sich autonom über den Acker bewegt. Bislang sind große Maschinen noch im Trend aber kleine, leichte Feldroboter stehen bereits in den Startlöchern. Mit Sensoren und Kameras ausgestattet können sie Unkraut bekämpfen, gezielter düngen oder präziser Krankheiten behandeln. Einige dieser kleinen smarten Geräte sind bereits auf Versuchsflächen unterwegs.
Der Wandel ist sichtbar
Ob kleine autonome Maschinen wirklich die Landwirtschaft der Zukunft prägen werden ist allerdings noch ungewiss. Experten rechnen erst in 15 – 20 Jahren mit einem breiten Einsatz. Klar ist jedoch: »Wir haben das Limit erreicht, noch größere und produktivere Landmaschinen sind kaum möglich«, so Techen. Auch zu enge Fruchtfolgen, bei denen immer dieselben Pflanzenarten kurz hintereinander angebaut werden und die nur mit viel Pestizideinsatz realisierbar sind, haben inzwischen unerwünschte Nebenwirkungen: Immer mehr Unkräuter, Krankheitserreger und Schädlinge entwickeln Resistenzen gegen die eingesetzten Mittel. Ackerfuchsschwanz und Windhalm sind typische Gräser, deren Auftreten in einigen Regionen kaum noch mit Pestiziden in den Griff zu bekommen ist. Der Einsatz von mehr und mehr Pflanzenschutzmitteln führt somit in eine Sackgasse und die erzielten Ertragssteigerungen auf den Feldern sind den Mehrkostenaufwand immer seltener wert. Der Druck für ein Umdenken nimmt zu.
Während sich die Feldrobotik noch im Frühstadium befindet, sind andere Technologien schon weiter: Viele Landmaschinen sind digitalisiert. Beim sogenannten »Precision Farming« optimieren Algorithmen etwa die Fahrwege, die eine Maschine auf dem Feld zurücklegt, steuern Sensoren den Reifendruck automatisch passend zum Untergrund, um den Boden zu schonen. Dünger und Pflanzenschutzmittel werden nicht mehr flächendeckend eingesetzt, sondern nur dort, wo es an Nährstoffen mangelt. Obwohl es noch weiterer Entwicklung bedarf, sind diese Technologien in einfacheren Varianten vereinzelt schon im Einsatz. Auch Mischkulturen können eine Renaissance erleben. »Ein Mischanbau aus Weizen und Leguminosen wie Bohnen bietet Chancen, Erträge zu erhöhen und gleichzeitig das Bodenleben positiv zu beeinflussen«, erklärt Techen. Ebenfalls keine neue aber gute Idee: tiefwurzelnde Kulturpflanzen könnten durch Maschinen verdichtete Böden teils wieder auflockern.
Fragen der Zukunft
Zukunftsszenarien, die im BonaRes-Netzwerk gemeinsam mit Akteuren der Landwirtschaft und weiteren Beteiligten entwickelt werden, zeigen auf, welche Folgen es für den Boden hat, wenn sich die eine oder andere Methode durchsetzt. Welche Risiken und Chancen sind damit verbunden? Welche Bodenfunktionen werden gefördert oder beeinträchtigt? Und wie wirkt sich das auf den Ertrag aus? »Es gibt viele offene Fragen«, erklärt Techen. Es geht um die biologischen, chemischen und physikalischen Prozesse, die das Bodengefüge prägen und die der Mensch mit seiner Nutzung beeinflusst. Die Analysen gehen jedoch darüber hinaus. Sie sollen ebenso ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Folgen abschätzen können. Denn schließlich geht es auch um Arbeitsplätze, die durch autonome Landmaschinen gefährdet sein könnten.
Anja-Kristina Techen weiß: Die Probleme drängen, doch ob sich neue Methoden und Technologien durchsetzen, ist nicht zuletzt auch eine Kosten- und Zeitfrage. Bereits gekaufte Maschinen werden die Landwirte noch lange nutzen, eingespielte Arbeitsweisen werden nicht von heute auf morgen aufgegeben. »Hier ist die Forschung gefordert«, betont sie. Diese muss nicht nur aufzeigen, welche Effekte die neu entwickelten Ideen auf den Boden haben, sondern auch, ob sie den ökonomischen Ansprüchen genügen und in der Praxis umsetzbar sind. Dieses Wissen ist notwendig, um eine gesellschaftliche Diskussion über die Landwirtschaft der Zukunft überhaupt zu ermöglichen.