In Zusammenarbeit mit:

Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU)

Wie beeinflusst Mikroplastik Korallenriffe?  

Artenschutz Gewässer Naturschutz Umweltschutz Wasser
Unterwasserfoto einer rosafarbene Koralle, die Teil eines Korallenriffs ist.
© Diego Delso

Text: Caroline Link

Korallen ernähren sich von Plankton, das sie aus dem Meerwasser filtern. Durch die zunehmende Verschmutzung der Meere nehmen sie dabei auch winzige Plastikpartikel auf. An der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) untersucht Dr. Jessica Reichert gemeinsam mit weiteren Forschenden, welchen Einfluss die kleinsten Partikel unseres Mülls auf riffbildende Korallen haben.

Eine Mikroskopaufnahme der rosafarbenen Pfötchenkoralle. Man sieht kleine schwarze Partikel die sich auf der Korallenoberfläche ablagern.
Die Pfötchenkoralle interagiert mit den untersuchten Mikroplastik-Partikeln. © Elisabeth Wörner | JLU

Korallen sind nicht immer in der Lage, aufgenommenes Mikroplastik wieder auszuscheiden. Sie lagern es in ihr Kalkskelett ein, was einigen Arten nicht gut bekommt: Sie wachsen schlechter und entwickeln Korallenbleiche sowie Nekrosen. Für seine Untersuchungen setzte das Forschungsteam um Reichert zwei Korallenarten acht Wochen lang vier verschiedenen Mikropartikeln aus den wichtigsten Verschmutzungsquellen aus: Plastikmüll aus der Umwelt, Kunstfasern aus Kleidung, Rückstände aus dem Automobilsektor – Reifenabrieb, Bremsabrieb und Lacksplitter – sowie Polyethylen-Partikel, das Material, das am häufigsten in der Umwelt vorkommt. Diese Teilchen waren jeweils kleiner als ein Millimeter. In mit diesen Mikropartikeln verschmutztem Wasser wurden das Wachstum, die Photosynthese und die Gesundheit von Pfötchen- sowie Griffelkorallen untersucht. Von diesen beiden Korallenarten ist bekannt, dass sie häufig Mikroplastik aufnehmen.

Neben der JLU waren an der Studie auch Forschende des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung auf Helgoland sowie des Wageningen Marine Research in den Niederlanden beteiligt.

Kunstfasern und Reifenantrieb haben größte Auswirkungen

Von den vier getesteten Mikropartikeln verursachten Kunstfasern aus Kleidung die meisten Veränderungen in den Korallen  – möglicherweise, weil sie sich in den Korallenkolonien verfangen und die Reinigungsmechanismen, die sonst bei Mikropartikeln greifen, hier nicht funktionieren. Reifenabrieb hatte ebenfalls deutliche Auswirkungen. Insgesamt war die Pfötchenkoralle stärker betroffen als die Griffelkoralle, was an unterschiedlichen Wuchsformen und Ernährungsstrategien liegen könnte. Es gab zudem interessante Auswirkungen auf das Wachstum. „Beide Korallenarten nahmen stärker an Volumen zu. Wir vermuten, dass dies durch den Einbau von Mikropartikeln in die Skelettstruktur zustande kommt“, so Studienleiterin Dr. Reichert. Mehr Wachstum ist allerdings nicht unbedingt positiv. So wurde der Volumenzuwachs beispielsweise bei der Pfötchenkoralle von einer verringerten Kalkbildung begleitet.

Foto eines Versuchsaufbaus in der Justus-liebig Universität Giessen. Vier mit Wasser gefüllte Aquarien unter blauem Licht.
Die Korallen wurden in Aquarien acht Wochen lang den verschiedenen Mikropartikeln ausgesetzt. © Jessica Reichert | JLU

Korallen zeigen sich in der Studie widerstandsfähig

Insgesamt waren die Auswirkungen der Mikropartikel auf die Korallen während des achtwöchigen Versuchszeitraums jedoch gering. Offensichtlich können die Korallen den verursachten Stress durch die getestete Mikropartikel-Konzentration für eine gewisse Zeit kompensieren. Dies könnte daran liegen, dass die Photosynthese der Algen, die mit den Korallen in Symbiose leben, bei beiden Korallenarten durch die Mikropartikel gesteigert wurde. Die Gründe dafür sind noch unklar. „Diese Hochregulierung könnte ein Mechanismus sein, um die durch Mikropartikel verminderte Nahrungsaufnahme zu kompensieren“, sagt Reichert. Die erhöhte Photosynthese scheint die Auswirkungen von Mikropartikeln erfolgreich abzumildern. Während des Versuchszeitraums konnte kein Einfluss auf das Oberflächenwachstum und die Gesundheit der Korallen verzeichnet werden.

Eine weitere Studie des Teams der JLU hat zudem ergeben, dass die Korallen bei den derzeitigen durchschnittlichen Konzentrationen in der Umwelt wahrscheinlich nicht durch Mikroplastik gefährdet sind. Dr. Reichert, die auch Erstautorin in dieser Studie war, warnt jedoch: „Insbesondere ‚Vielfresser‘ wie die Ananaskoralle und die auch durch andere Stressoren gefährdete Pfötchenkoralle könnten dennoch empfindlich auf die zunehmende Verschmutzung der Meere durch Mikroplastik reagieren. Bei der Pfötchenkoralle konnten wir bereits nachweisen, dass sie besonders stark durch Kunstfasern und Reifenabrieb beeinflusst wird.“

Offene Fragen bleiben

„Unsere Ergebnisse zeigen auch, dass verschiedene Mikropartikel unterschiedliche Auswirkungen auf die Korallen haben“, so Reichert. „Zukünftige Studien sollten daher die in den Meeren vorkommenden Partikelmischungen besser imitieren und ihre Auswirkungen auf Korallen genauer abschätzen. Um die in vielerlei Hinsicht bedrohten und sehr wichtigen Ökosysteme der Korallenriffe zu schützen, ist es besonders wichtig, Maßnahmen zu ergreifen, um die Rückstände aus Kunstfaserbekleidung und der Automobilindustrie zu reduzieren, die offensichtlich den größten Einfluss auf die untersuchten Korallen haben.“

Institution: Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU)
Ansprechpartner/in: Dr. Jessica Reichert

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