In Zusammenarbeit mit:

Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) & Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie (INP)

Gib Plasma bei die Radieschen: Interview mit Dr. Henrike Brust & Dr. Sandra Münzel  

Agrar- und Gartenbautechnik Boden Ernährung Nachhaltigkeit Pflanzenschutz
Die Forscherinnen bei der Datenaufnahme der Radies-Kulturen am IGZ. Foto: Sandra Münzel / IGZ
Foto: Sandra Münzel / IGZ

Interview: querFELDein-Team

Bessere Keimraten und weniger Pflanzenkrankheiten im Gemüseanbau: Das ist das Ziel von Dr. Sandra Münzel, Geoökologin am Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ). Dafür testet sie seit kurzem den Einsatz von Plasma und hat in der Biologin Dr. Henrike Brust vom Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie (INP) die perfekte Kooperationspartnerin gefunden. Im Interview erzählen die beiden Forscherinnen, wie ihre ersten Experimente verliefen und warum sie sich ausgerechnet für das Radieschen als Testobjekt entschieden haben.

Frau Brust, bevor wir zum Gemüse kommen: Können Sie uns kurz erklären, was Plasma ist?

Henrike Brust: Plasma ist eigentlich der vierte Aggregatzustand. Aus der Schule kennen wir alle: fest, flüssig und gasförmig. Um aus einer Flüssigkeit ein Gas zu machen, müssen wir mehr Energie zuführen. Das passiert zum Beispiel, während wir Wasser kochen. Wenn wir schon Gas haben und immer mehr Energie zuführen, entsteht irgendwann “ionisiertes Gas”, das wir auch als Plasma bezeichnen. Es ist nicht nur sehr energiereich, sondern auch sehr reaktionsfreudig. In der Natur kommt es zum Beispiel bei Blitzen vor.

Wenn Sie das so erklären, stelle ich mir Plasma sehr, sehr heiß vor.

Brust: Es ist nicht unbedingt Wärme, die wir als Energie zuführen müssen. Wir können Plasma heute auch mit Hochspannung erzeugen. So entsteht “kaltes Plasma”, das maximal 40 Grad heiß wird und damit auch auf Pflanzen angewendet werden kann, ohne Schaden anzurichten.

Blick in ein Gerät, in dem pinke Plasmastrahlen, Pflanzensamen behandeln.
Behandlung von Saatgut mit Hilfe Argonplasma am Leibniz-Institut INP. Dieses ist Saatgut ist für die Blaue Süßlupine. Das Behandlungsgerät wurde am INP selbst entwickelt und gebaut. Foto: INP

Frau Münzel, warum bringen Sie Plasma überhaupt auf Pflanzen auf, genauer gesagt auf Radieschen?

Sandra Münzel: Um noch genauer zu sein, bringen wir das Plasma nicht auf die Radieschenpflanzen auf, sondern auf das Saatgut. Dabei geht es uns zunächst um zwei Aspekte: Zum einen die Abtötung von Krankheitserregern, also die Saatguthygiene, zum anderen die Förderung der Keimfähigkeit des Saatgutes. Frau Dr. Brust und Frau Dr. Nicola Wannicke haben dazu am INP, unter anderem im Verbundprojekt “Physics for Food”, schon viel Erfahrung gesammelt.

Brust: Richtig, aber Gemüsepflanzen sind für uns relativ neu und erst durch die Kooperation mit dem IGZ zu uns gekommen. Normalerweise forschen wir an Getreide und Leguminosen. Es gibt verschiedene Krankheitserreger, gerne auf oder in der Samenschale sitzend, die wir mit Plasma gut in den Griff bekommen. Das ist unter anderem für die Lagerung von Saatgut von Vorteil. Wenn wir über die Verbesserung der Saatgutkeimung sprechen, dann reden wir vor allem von Pflanzenarten, die noch nicht so sehr auf Keimfähigkeit gezüchtet wurden oder die Probleme mit der Keimung haben. Bei Saatgut für Ackerkulturen zum Beispiel brauchen wir eine Keimfähigkeit von mindestens 80 Prozent, sonst ist es nicht marktfähig.

Münzel: Im Gemüseanbau ist der Druck nochmal höher als im Getreideanbau. Die Betriebe müssen schon sehr früh im Jahr ihr Gemüse verkaufen, um am Markt mitzuspielen. In den folgenden Monaten gilt es, möglichst lange liefern zu können und dabei stets eine hohe Qualität des Gemüses zu gewährleisten. Für mich ging es bei der Plasmabehandlung also in erster Linie darum, die möglichen Anbauzeiten im Gemüsebau zu verlängern, indem wir eine schnellere Keimung bewirken und zusätzlich die maximale Keimungsrate im Saatgut erhöhen. Das Thema Saatguthygiene kam erst durch die Zusammenarbeit mit dem INP auf meinen Tisch. In großen Bereichen des Gemüseanbaus gibt es dafür noch keine Lösung. Im Getreideanbau gibt es immerhin die Beizung, die aber auch ihre Nachteile hat.

Wie wirkt sich denn diese Plasmabehandlung auf die Umwelt aus?

Brust: Hier sehen wir einen ganz großen Vorteil der Plasmabehandlung. Gebeiztes Saatgut zum Beispiel ist Sondermüll, aber plasmabehandeltes Saatgut weist keine Rückstände auf, die gesundheits- oder umweltschädlich sein könnten. Es wird nichts in unsere Ökosysteme eingebracht, was dort nicht schon vorhanden ist. Das ist bei herkömmlichen Fungiziden anders. Die hinterlassen sehr wohl Rückstände im Boden.

Und warum gerade Radieschen?

Münzel: Radieschen wachsen in nur vier Wochen zur Erntereife, deshalb können wir das Erntegut sehr schnell analysieren. Bei anderen Pflanzenarten muss man oft bis zur Blüte warten. Ein weiterer Vorteil ist, dass Radieschen oberirdisch wachsen und wir somit den gesamten Wachstumsverlauf beobachten können. Bei Möhren usw. würden wir nur das Endresultat sehen. Außerdem sind Radies relativ unempfindlich gegenüber unterschiedlichen Bodenbedingungen. Wenn wir Unterschiede im Wachstum beobachten, sollten diese ausschließlich auf die Plasmabehandlung zurückzuführen sein und nicht auf den Boden, in den wir sie einpflanzen. Trotzdem verwenden wir natürlich für alle Testpflanzen das gleiche Bodensubstrat: neutralen Sand, den wir kontrolliert selbst gedüngt haben. Die Wahl fiel auch auf das Radieschen, weil es den Pflanzen relativ ähnlich ist, mit denen Frau Brust am INP bereits experimentiert hat.

Was haben Radieschen denn mit Getreide gemeinsam?

Brust: Da geht es weniger um die Pflanze, sondern eher um die Größe und Geometrie des Saatguts. Wir wissen aus unserer bisherigen Forschung, dass dies einen Unterschied in der Plasmabehandlung macht. Die Wahl des Radieschens war daher auch ein bisschen dem zeitlichen Pragmatismus geschuldet. Wir mussten schauen, dass wir unsere Anbauversuche schnell umsetzen, ohne zu viel Zeit mit der Suche nach den Parametern für das Plasma zu verlieren. Daher das Radieschen: Es wächst schnell, passt zu uns und die Parameter für das Plasma konnten wir auch erst einmal übernehmen.

Auf dem Förderband einer Maschine liegt Saatgut, das durch Plasma geführt wird.
Behandlung von Luzerne-Saatgut mit Luftplasma. Die vom Leibniz-Institut INP selbst entwickelte Maschine ermöglicht die Behandlung im kontinuierlichen Verfahren per Förderband. Foto: INP

Wie sieht Ihr Versuchsaufbau konkret aus?

Münzel: Wir haben es nicht im richtigen Freilandversuch machen können, weil dort zu viele äußere Faktoren mitspielen und die Kontrollbedingungen nicht gegeben sind. Deshalb führten wir Gefäßversuche in Töpfen durch, überdacht mit einem Glasdach. Die Radieschen waren somit äußeren Bedingungen wie Temperatur und Strahlung ausgesetzt und doch konnten wir gezielt bewässern. Auf diese Weise hatten wir für alle Pflanzen die gleichen Bedingungen.

Wie genau bringen Sie das Plasma auf das Saatgut auf?

Brust: Es gibt verschiedene Systeme in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Wir haben Laboranlagen, mit denen wir wenige Gramm Saatgut behandeln können. Andere sind in der Lage mehrere Kilogramm zu verarbeiten. Eine unserer Maschinen arbeitet mit einem Förderband, auf das das Saatgut aufgelegt und mit Plasma behandelt wird. Wir forschen mit direkter und indirekter Plasmabehandlung. Direkt bedeutet, dass das Saatgut auch direkt mit dem Plasma in Kontakt kommt. Bei der indirekten Methode wird zunächst Luft behandelt, die dann mit dem Saatgut in Kontakt gebracht wird.

Portraitfotos der beiden Forscherinnen vor weißen Hintergrund.
Dr. Sandra Münzel (links) ist Teil der Forschungsgruppe "Anbausysteme Feld" des IGZ. Dr. Henrike Brust (rechts) leitet am INP die Forschungsgruppe „Plasma-Agrarkultur“. Fotos: Elke Münzel (bearbeitet), Kommunikation INP

Welche Hürden sehen Sie noch bis zur Marktreife? Wie teuer ist zum Beispiel die Plasmabehandlung?

Brust: Diese Frage wird immer wieder gestellt und sie ist berechtigt. Um sie zu beantworten, müssen wir uns zunächst darüber klar werden, in welche Richtung wir gehen wollen. Setzen wir Plasma für Saatgut ein, das im Tonnenmaßstab in kürzester Zeit auf den Acker muss? Oder handelt es sich um Spezialsaatgut, bei dem nur wenige Kilogramm behandelt werden müssen? Ein weiterer Punkt ist die Sicherheit für die Anwenderinnen und Anwender. Die wenigsten Plasmaquellen können von Laien selbst bedient werden. Bislang braucht es auch bei uns hierzu speziell geschultes Personal. Im Idealfall haben wir am Ende vielleicht vier Knöpfe für die verschiedenen Parameter und dann läuft das sicher. Aber bis dahin ist noch einiges an Entwicklung nötig. Wir kommen natürlich auch nicht umhin über den Strombedarf zu reden. Hier gibt es aktuell Überlegungen, bei dezentraler Nutzung über Solar und Wind usw. die notwendige Energie zu erzeugen.

Bei allen Kosten und Hürden müssen wir aber immer bedenken: Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wird perspektivisch stark zurückgehen müssen. Für die entstehende Lücke könnte die Plasmabehandlung eine Lösung sein, die zudem viele Vorteile bietet.

Münzel: Das Interesse der Praxis an der Plasmabehandlung ist jedoch schon groß. Wir haben Anfragen von Betrieben, die das Plasma am liebsten direkt auf ihren Feldern testen wollen. Zum Beispiel, wenn sie Saatgut verwenden müssen, das nur 60 Prozent Keimfähigkeit hat. Aber da müssen wir erst einmal bremsen, denn wir sind gerade im ersten Jahr unserer gemeinsamen Forschung und es gibt noch viele Hürden zu überwinden, bis das Plasma wirklich in der Praxis eingesetzt werden kann.

Wie kam denn die Kooperation zwischen Ihnen zustande?

Münzel: Wir hatten eine gemeinsame Tagung, wo es unter anderem um Bodenfruchtbarkeit, Pflanzengesundheit und gesunde Lebensmittel ging. Frau Brust hatte dort über Plasma gesprochen und wir kamen in den Austausch: Gibt es das bei Gemüse? Nein, das gibt es bisher nur bei Ackerkulturen, aber das ist gar nicht so weit weg! Wir forschen ja beide an Leibniz-Instituten, lass es uns einfach mal für den Gemüsebau ausprobieren.

Erschien zuerst im/auf: querFELDein
Institution: Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) & Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie (INP)
Ansprechpartner/in: Dr. Sandra Münzel (IGZ) & Dr. Henrike Brust (INP)

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