In Zusammenarbeit mit:
Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ)
Wie spüren und verarbeiten Pflanzen ihre Umgebungstemperatur?

Text: DR. MARINA KORN
Pflanzen leiden zunehmend unter den Folgen des Klimawandels. Diese gefährden unter anderem die Landwirtschaft, Ernährungssicherheit und Biodiversität, da viele Arten aussterben. Pflanzen haben zwar im Laufe der Evolution vielfältige Mechanismen zur Anpassung an die sich ändernden Umgebungstemperaturen entwickelt, doch sind viele Pflanzen nicht in der Lage, sich schnell genug anzupassen. Nun stellt sich die Frage: Wie funktionieren die Schutzmechanismen von Pflanzen auf molekularbiologischer Ebene und wie können wir uns dieses Wissen zunutze machen?

Zur Anpassung an sich ändernde Umgebungstemperaturen haben Pflanzen im Laufe der Evolution vielfältige Mechanismen entwickelt. Unter Anderem müssen Pflanzen Informationen zur Umgebungstemperatur schnell erfassen und ihren Stoffwechsel daran anpassen können, um zu überleben. Pflanzen verwenden Temperaturinformationen, um saisonale Entscheidungen zu treffen, zum Beispiel wann sie blühen und wachsen sollen, oder reagieren auf kurzfristige Änderungen, um sich vor Kälte- und Hitzestress zu schützen. Für all diese Reaktionen müssen Pflanzen in der Lage sein, die aktuelle Temperatur zu erfassen.
In einem Forschungsprojekt “TIPTOP” möchte Philip Wigge molekulare Mechanismen zur Temperaturmessung in Pflanzen aufklären, um zu verstehen, wie sie auf ihre aktuellen Umweltbedingungen reagieren:
Die Forschung an den Mechanismen, mit denen Pflanzen die Temperatur erfassen und ihr Verhalten anpassen, ist in Zeiten des raschen Klimawandels für die Landwirtschaft von besonderer Bedeutung. Pflanzen sind besonders anfällig für schnelle Temperaturänderungen.
Zum Beispiel kam es in den letzten Wochen zum Verlust von mindestens einem Drittel der französischen Weinproduktion im Wert von 2 Milliarden Euro aufgrund von Kälteeinbrüchen. Hitzestress kann auch Ernteverluste verursachen, man geht von etwa 10 Prozent Ernteverlust für jeden weiteren Temperaturanstieg von 1 ºC aus. Da extreme Wetterereignisse aufgrund der Klimaerwärmung immer häufiger auftreten, ist es von größter Bedeutung, dass wir verstehen, wie Pflanzen Temperaturinformationen erfassen und verwenden, damit wir klimaresistente Pflanzen züchten können.

Im Projekt TIPTOP untersucht Philip Wigge, wie Pflanzen ein korrektes Temperatursignal ermitteln können, auch wenn das sie umgebende Makro- und Mikroklima kurzfristig starken Schwankungen unterliegt. Bisher unbekannt sind auch die Prozesse, wie die Temperatursignale, die in einzelnen Zellen ermittelt werden, über die gesamte Pflanze integriert werden, um dann eine koordinierte Reaktion durch Veränderung von Wachstums- und Entwicklungsvorgängen auszulösen. Das Projekt nutzt die jüngsten Erkenntnisse von Wigges Team, das erforscht, wie einzelne Proteine und RNA-Moleküle als Miniatur-Temperatursensoren fungieren, und nutzt synthetische Biologie, um temperaturempfindliche Schaltkreise in der Zelle neu zu konstruieren.

Weiterführende Informationen
Prof. Philip A. Wigge ist mit der Bewilligung für dierenommierte Förderung eines ERC Advanced Grant ausgezeichnet worden. Für seine zukunftsweisende Forschung im Projekt „TIPTOP -Temperature Integration via Phase Change and Translation of Proteins in Plants“ erhält er von der Europäischen Kommission 2,14 MillionenEuro über einen Zeitraum von fünf Jahren. Die ERC Advanced Grantsunterstützen herausragende leitende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ganz Europa in ihrer Spitzenforschung „TIPTOP – Temperature Integration via Phase Change and Translation of Proteins in Plants“.