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Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ)

„Bei Umweltstress verlieren Pflanzen die Kraft zur Selbstverteidigung“ – Interview mit Prof. Nicole van Dam  

Biooökonomie Biotechnologie Nachhaltigkeit Pflanzenschutz Schädlinge Züchtung
Kartoffelkäfer auf Kartoffelpflanze
Wie reagieren Pflanzen auf Stress, wie zum Beispiel Fraßschäden durch den Kartoffelkäfer? © Zdeněk Chalupský | Pixabay

Moderation: BEATRIX BOLDT
Gespräch mit PROF. NICOLE VAN DAM

Pflanzen haben im Laufe der Evolution gelernt, mit ihrer Umwelt zu kommunizieren und sich vor Bedrohungen zu schützen. Ihre Fähigkeit zur Anpassung und damit zum Überleben fasziniert Nicole van Dam. Ihre Forschung widmet die Biologin daher der Biokommunikation der Pflanzen, um den Gemüseanbau nachhaltiger zu machen. Als Expertin für chemische Pflanzenökologie interessiert sie sich dabei vor allem für die chemische Zusammensetzung von Naturstoffen und Genen, die den „natürlichen Selbstverteidigungsprozess“ der Pflanze bestimmen. Mit ihrer Forschung konnte van Dam beweisen, wie sich die chemische Zusammensetzung von Pflanzen und damit deren Kommunikation bei Umweltstress wie Hitze und Trockenheit oder in Verbindung mit Bodenpilzen verändern.

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Prof. Dr. Nicole van Dam
Prof. Nicole M. van Dam ist wissenschaftliche Direktorin des Leibniz-Instituts für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ). © Lisette van Eck

Auf welche Weise kommunizieren Pflanzen mit ihrer Umwelt und welche Bedeutung hat das für Landwirtschaft und Gartenbau?

Pflanzen sprechen mit Chemie. Sie produzieren Naturstoffe wie beispielsweise giftige und bittere Alkaloide, um sich gegen Schädlinge zu verteidigen. Pflanzen produzieren auch Duftstoffe. Damit locken sie Bienen und andere Bestäuber an oder auch räuberische Insekten, die die Pflanzen von gefräßigen Raupen befreien. Anders als chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel haben Naturstoffe wenig bis keine negativen Auswirkungen auf die gesamte Biodiversität. Wenn wir diese natürliche „Selbstverteidigung“ von Pflanzen besser verstehen, können wir unser Gemüse nachhaltiger produzieren.

Ist die Fähigkeit zur Biokommunikation bei allen Pflanzen vorhanden – auch bei neuen Züchtungen?

Im Prinzip ja. Aber die Forschung von Kolleginnen und Kollegen zur Kommunikation von Maiswurzeln mit Feinden von Käferlarven hat gezeigt, dass bestimmte Maisvarietäten die Duftstoffe, die diese unterirdischen Feinde anlocken, nicht mehr produzieren. Bei aktuellen Züchtungen konnten diese Eigenschaften vernachlässigt werden, solange wir die chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel hatten. Die Fähigkeit der Pflanzen zur chemischen Selbstverteidigung müssen wir jetzt wieder in neue Züchtungsprogramme aufnehmen. Dazu müssen wir aber erst verstehen, welche chemischen Stoffe wichtig und welche Gene in den Pflanzen dafür zuständig sind.

Wie beeinflussen Umweltfaktoren wie Hitze oder Trockenheit die Biokommunikation der Pflanzen? Was hat Ihre Forschung dazu ergeben?

Wenn es zu heiß oder zu trocken ist, müssen sich die Pflanzen anpassen, damit sie überleben. Diese Anpassungen kosten Energie und Ressourcen, so zum Beispiel Stickstoff. Unter Umständen kann es sein, dass die Pflanzen dann keine „Kraft“ mehr haben, sich auch gegen Schädlinge zu wehren. Andererseits ist es auch möglich, dass die Anpassungen an Trockenstress die Pflanze auch resistenter machen. Solche Anpassungen können sich beispielsweise darin zeigen, dass Pflanzen kleinere, aber dickere Blätter entwickeln, um die Verdunstung von Wasser über die Blätter zu verringern. Weil unter den aktuellen Klimabedingungen Schädlinge und Hitzestress gleichzeitig auftreten, erforschen wir am Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau solche Themen auch im direkten Zusammenhang.

Inwiefern kann das Wissen um die chemische Ökologie pflanzlicher Interaktionen Antworten auf überlebenswichtige Fragen wie Klimawandel, Ernährungssicherung und Biodiversität geben?

Pflanzen überleben schon Millionen von Jahren auf unserer Erde, viel länger als es uns Menschen gibt. Es gab Zeiten, da war es vielleicht viel wärmer auf unserem Planeten, und es gab auch größere Fraßfeinde wie die Dinosaurier. All dies haben Pflanzen mit Hilfe ihrer Naturstoffchemie und Anpassungsfähigkeit überlebt. Als chemische Ökologin versuche ich zu verstehen, wie sie das geschafft haben. Mit diesem Wissen können wir auch dafür sorgen, dass wir in der Zukunft sicher und nachhaltig Gemüse und andere pflanzliche Nahrungsmittel in ausreichender Menge produzieren können, um die Weltpopulation zuverlässig mit hochwertiger und gesunder Nahrung zu versorgen.

Worauf konzentriert sich Ihre Forschungsarbeit aktuell und welches Ziel verfolgen Sie damit?

Mein Forschungsschwerpunkt ist die chemische und molekulare Ökologie von Pflanzen-Insekten-Interaktionen. Dabei geht es unter anderem auch darum, wie Pflanzen ihre Antwort auf gleichzeitige Angriffe, insbesondere zwischen oberirdischen und unterirdischen Pflanzenfressern, optimieren. Wir erforschen auch, ob bestimmte Pilze sowie Mykorrhizen, die Pflanzen dazu anregen, sich besser zu verteidigen. Ich versuche auch zu verstehen, wie es im Laufe der Evolution dazu gekommen ist, dass Pflanzen tausende von Naturstoffen produzieren. Wir erforschen dabei die ökologische Rolle dieser chemischen Vielfalt in Pflanzen – also welcher pflanzliche Naturstoff hat welche Wirkung. Damit liefert meine Forschung Grundlagenwissen, welches in Züchtungsprogramme für Pflanzen einfließt, damit diese sich besser selbst verteidigen können. Gemeinsam mit Züchtungsfirmen übersetzen wir das Wissen in die Praxis.

Erschien zuerst im/auf: www.bioökonomie.de
Institution: Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ)
Ansprechpartner/in: Pressestelle des IGZ

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