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Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK)

Hafer in aller Munde  

Ernährung Ernährungssicherheit Umweltschutz
Haferflocken und Haferbrei mit Früchten.
© cgdsro | Pixabay

Text: CHRISTIAN SCHAFMEISTER

Ob für die Wissenschaft oder die gesunde Ernährung: Hafer hat gerade Hochkonjunktur. Martin Mascher erklärt, warum das so ist und zeichnet die wechselvolle Geschichte des Getreides nach.

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Kuhmilch oder Hafermilch? Wer heute in einem Café sitzt, dem werden oft schon ganz selbstverständlich beide Alternativen angeboten. Der Wunsch nach nachhaltigen und gesunden Lebensmitteln macht sich also auch bei der Milch bemerkbar. „Hafermilch ist ein hochwertiges Produkt, das gut schmeckt und als veganer Milchersatz dient“, betont Martin Mascher, Leiter der Arbeitsgruppe „Domestikationsgenomik“ am IPK Leibniz-Institut. Hafermilch schneidet mit Blick auf die Umwelt deutlich besser ab als andere Milchformen. „Bei der Kuhmilch muss die Belastung durch Methan berücksichtigt werden, bei Sojamilch müssen auch die Kosten für den Transport mit einkalkuliert werden, und bei der Produktion von Mandelmilch ist der Wasserverbrauch sehr hoch“, erläutert Martin Mascher, der sich dem Thema Hafer verschrieben hat und das internationale Konsortium „PanOat“ koordiniert, das auf dem Weg zum Pangenom 29 Hafersorten sequenzieren möchte. „Im kommenden Jahr wollen wir dazu ein erstes Manuskript einreichen.“

Kulturhafer (Avena sativa L.) ist eine alte Kulturpflanze, die vermutlich vor mehr als 3.000 Jahren domestiziert wurde. Damals wuchs sie zunächst als Unkraut auf Weizen- und Gerstenfeldern. Im Mittelalter war Hafer eine sehr wichtige Kulturpflanze. „Insbesondere in England und Schottland haben sich die Menschen später von Haferschleim, dem Porridge ernährt“, erklärt der IPK-Wissenschaftler. „Die Menschen konnten sich ein Weizenbrot meist nicht leisten.“ Doch wichtig war Hafer vor allem als Futter für die Pferde. „Die Pferde waren lange Zeit das wichtigste Transportmittel. Daher lässt sich das vergleichen mit der Herstellung von Biodiesel aus Raps, die heute üblich ist.“ Doch durch das Aufkommen der Eisenbahn und die Nutzung von Traktoren in der Landwirtschaft verlor der Hafer allerdings an Bedeutung. Aber auch durch den wachsenden Wohlstand nahm die Anbaufläche ab.

Auch die Wissenschaft hatte Hafer lange Zeit nicht im Blick. Erst kürzlich ist es einem internationalen Forschungsteam unter Beteiligung des IPK gelungen, ein qualitativ hochwertiges Referenzgenom zu entschlüsseln. „Wir hatten dazu bis vor Kurzem noch gar nicht die technischen Möglichkeiten“, sagt Martin Mascher. Aufgrund fehlender Genom-Ressourcen war es deshalb bisher auch nicht möglich, moderne Methoden der Pflanzenzüchtung anzuwenden. Jetzt sollen die neuen Erkenntnisse frische Impulse für die Züchtung geben. „Und das IPK hat nach Gerste, Weizen und Roggen erneut seine führende Rolle bei der Aufklärung von Genomsequenzen unter Beweis gestellt“, erläutert Martin Mascher.

IPK-Forscher Martin Mascher hat sich dem Thema Hafer verschrieben und koordiniert das internationale Konsortium „PanOat“, das aus dem Weg zum Pangenom 29 Hafersorten sequenzieren möchte.
IPK-Forscher Martin Mascher hat sich dem Thema Hafer verschrieben und koordiniert das internationale Konsortium „PanOat“, das aus dem Weg zum Pangenom 29 Hafersorten sequenzieren möchte. © IPK Leibniz-Institut | J. Himpe

In der sehr langen Evolutionsgeschichte des Hafers wurden Gene zwischen den Subgenomen ausgetauscht. Daher hat Hafer ein sehr komplexes Genom, das sich erheblich von dem von Weizen und Gerste unterscheidet. „Die Struktur des Hafergenoms weist insgesamt zwar Ähnlichkeiten zu den Genomen von Weizen und Gerste auf, eine Reihe von genomischen Umlagerungen hat jedoch beim Hafer zu einer mosaikartigen Genomarchitektur geführt“, erklärt Martin Mascher. „Jetzt ist es zum ersten Mal möglich, einzelne Gene mit agronomischen Merkmalen des Hafers zu verknüpfen.“ Die Wissenschaftler präsentierten darüber hinaus detaillierte Analysen von Genfamilien, die für die menschliche Gesundheit und Ernährung von Bedeutung sind, und sie lieferten neue Beweise für die Sicherheit von Hafer in der glutenfreien Ernährung.

Bei den Getreidearten liegt er mit seiner aktuellen Produktionsmenge an siebter Stelle. Im Vergleich zu anderen Getreidesorten erfordert der Anbau jedoch weniger Behandlungen mit Insektiziden, Fungiziden oder Düngemitteln. Im Gegensatz zu Weizen und Gerste wird Hafer noch direkt als Nahrungsmittel verwendet. „Gerste wird zum Brauen verwendet, Weizen zum Brotbacken, aber Hafer, zum Beispiel in Form von Haferflocken, ist dem ursprünglichen Getreide noch sehr nahe.“

Hafer gehört zur Familie der ökonomisch wichtigen Süßgräser (Poaceae), zu der auch Weizen, Reis, Gerste, Hirse und Mais gehören. Wildwachsende Arten sind unter anderem im Mittelmeerraum, im Nahen Osten, auf den Kanarischen Inseln, aber auch in den Himalaya-Regionen zu finden. Hafer ist hexaploid, das heißt, sein Genom besteht aus drei Subgenomen, die in den letzten zehn Millionen Jahren von drei wilden Arten integriert wurden.

Mit dem „PanOat“-Konsortium, das aus 19 internationalen Partnern besteht, hofft Martin Mascher schnell auf weitere Ergebnisse. „Wir haben 2020 mit ersten genomischen Arbeiten begonnen und werden finanziell von diversen Zuwendungsgebern unterstützt“, sagt der IPK-Wissenschaftler. Allein das zeige, welches Potenzial noch im Hafer schlummere.

Martin Mascher greift auch auf die Hafer-Akzessionen zurück, die in der Genbank des IPK-Leibniz-Instituts in Gatersleben lagern.
Martin Mascher greift auch auf die Hafer-Akzessionen zurück, die in der Genbank des IPK-Leibniz-Instituts in Gatersleben lagern. © IPK Leibniz-Institut | J. Himpe

Der Trend hin zu mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft und der Ernährung, da ist sich Martin Mascher ganz sicher, wird sich fortsetzen. Das zeige auch der Erfolg des US-Lebensmittelkonzerns „Beyond Meat“, der auf vegane Fleischersatzprodukte setzt. „Das 20. Jahrhundert war das Zeitalter der ungesunden Ernährung mit Cola, Pommes Frites sowie Süßigkeiten. Das 21. Jahrhundert wird geprägt sein durch mehr nachhaltige Lebensmittel.“ So dürfen Leguminosen (Hülsenfrüchte) auch hierzulande an Bedeutung gewinnen. „Ein solches eiweißhaltiges Lebensmittel, wie es etwa Humus im Nahen Osten traditionell ist, fehlt uns bisher noch.“ Richtschnur müsse es einfach sein, tierische Lebensmittel Schritt für Schritt zu ersetzen. „Für den Planeten wäre es ohne Frage das Beste, wenn wir alle Veganer wären“, erklärt der Arbeitsgruppenleiter.

Dass die Rechnung allerdings nicht ohne den Menschen gemacht werden kann, weiß auch Martin Mascher. „In China steigt mit dem Wohlstand gerade auch der Fleischkonsum, das geht natürlich komplett in die falsche Richtung.“ Doch wenn er die Wahl zwischen Kuh- und Hafermilch hat, dann bevorzugt auch der IPK-Wissenschaftler die traditionelle Variante. „Die schmeckt mir persönlich besser.“

Für seine Forschung sticht ihn jedoch weiter der Hafer, wie es im bekannten Sprichwort heißt. Diese Redewendung stammt aus der Pferdehaltung: Reichlich mit Hafer gefütterte Pferde sprühen nur so vor Energie. Na dann: viel Erfolg!

Weiterführende Informationen

Informationen zum Konsortium: https://wheat.pw.usda.gov/GG3/PanOa

Erschien zuerst im/auf: IPK-Journal 2022-2
Institution: Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK)
Ansprechpartner/in: Martin Mascher

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