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Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)

Intensiv, aber nachhaltig  

Boden Bodenfruchtbarkeit Dünger Schädlinge
© Meric Tuna | Unsplash

Text: HEIKE KAMPE

Die Landwirtschaft muss nachhaltiger werden, soll gleichzeitig aber ertragreich bleiben. Wie das funktionieren könnte, zeigt das Konzept der nachhaltigen Intensivierung, das mit Digitalisierung, schonender Bodenbearbeitung oder gezieltem Einsatz von Düngemitteln arbeitet. Die Maßnahmen müssen aber auch den Weg in die landwirtschaftlichen Betriebe finden. Wie das gelingen kann, untersucht ein Forschungsteam des ZALF.

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Etwa die Hälfte der Fläche Deutschlands – rund 18 Millionen Hektar – wird landwirtschaftlich genutzt. Auf den Feldern, Wiesen und Weiden, in Weinhängen und Obstplantagen, Gemüsegärten und Viehställen werden die Nahrungsmittel produziert, die täglich auf unseren Tellern landen. Die Bilanz eines landwirtschaftlichen Betriebes hat jedoch zwei Seiten: der Menge der erzeugten Lebensmittel und dem daraus erzielten Umsatz stehen die Folgen des Anbaus für Boden, Klima, Grundwasser oder Artenvielfalt gegenüber.

»Wir haben ein ökonomisches und ein ökologisches Ergebnis«, fasst die Agrarökonomin Dr. Meike Weltin zusammen. Die Schere zwischen beiden Ergebnissen ist vielerorts lange auseinandergegangen: Der internationale Wettbewerb übt enormen Druck auf die Landwirtschaftsbetriebe aus. Die bestellten Flächen müssen so viel Ertrag wie möglich liefern. Wie sich Dünge- und Pflanzenschutzmittel auf Gewässer auswirken oder ob Wildtiere und -pflanzen genügend Lebensraum in der Agrarlandschaft finden, konnte bisher in der Hofbilanz eher weniger berücksichtigt werden. Doch seit den letzten 20 Jahren denken immer mehr Landwirtinnen und Landwirte um. Hoher Ertrag soll nicht länger zulasten der Umwelt gehen. Jene Betriebe, die Maßnahmen für Klima- oder Bodenschutz ergreifen, sollen aber möglichst keine Abstriche in der Erntemenge und damit im Portemonnaie erleiden müssen. Methoden der sogenannten nachhaltigen Intensivierung sollen die Landwirtinnen und Landwirte hierbei unterstützen.

Hecken für Artenvielfalt, Digitalisierung für weniger Pflanzenschutzmittel

»Der Begriff nachhaltige Intensivierung wurde Mitte der 90er Jahre in der Wissenschaft geprägt – wobei das Konzept auch auf altbekannte Maßnahmen aus der Landwirtschaft zurückgreift«, erklärt Meike Weltin. Die Instrumente des Konzepts sind vielfältig und je nach Region unterschiedlich: Digitale Hilfsmittel tragen dazu bei, Dünger und Pflanzenschutzmittel einzusparen, eine gut abgestimmte Fruchtfolge schützt die Bodengesundheit, die Anlage von Hecken und Blühstreifen hilft gegen Bodenverlust durch Erosion und fördert die Biodiversität. Dort, wo Wildbienen und Vögel ausreichend Nahrung und Lebensraum  finden, ist dafür gesorgt, dass Nutzpflanzen bestäubt und Schädlinge natürlich reguliert werden. Regionale Vermarktung der Produkte kann den Umsatz der Landwirtinnen und Landwirte steigern und gleichzeitig dabei helfen, durch kurze Transportwege Emissionen einzusparen. Es geht darum, Bewährtes gezielt einzusetzen und mit Neuem zu verknüpfen.

Gemeinsam mit der Agrarwissenschaftlerin Dr. Annette Piorr hat sich Meike Weltin im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojekts »VITAL« angeschaut, warum sich Landwirtinnen und Landwirte für oder gegen Methoden der nachhaltigen Intensivierung auf ihren Flächen entscheiden. Mehr als 400 Betriebe aus ganz Deutschland gaben Auskunft über ihre Ziele und Einstellungen, über Maßnahmen, die sie bereits durchführen oder sich vorstellen können. Während viele Betriebe bereits ihren Boden nachhaltig ohne Pflug bearbeiten, Untersaaten einbauen, mit digitalen Hilfen chemisch synthetische Pflanzenschutzmittel und Düngemittel einsparen oder ihre Waren regional vermarkten, werden andere Maßnahmen selten genutzt. »Gerade auf der Landschaftsebene gibt es noch viel Luft nach oben«, betont Annette Piorr und meint damit Baumreihen, Hecken oder Blühstreifen, die über mehrere Flächen oder betriebsübergreifend angelegt werden könnten. Sehen sich die Eigentümer in der Position Veränderungen anzustoßen, sind sie offen für unternehmerisches Risiko? Sind sie bedeutende Arbeitgeber in der Region? Ist es ihnen wichtig, wie sich die Umwelt in ihrer Region entwickelt? Wer diese Fragen mit »Ja« beantwortete, schien besonders offen für nachhaltige Veränderungen zu sein.

Hecken und Sträucher am Feldrand sorgen dafür, dass der Ackerboden länger Feuchtigkeit speichert und verhindern, dass fruchtbare Erde vom Wind abgetragen wird.
Hecken und Sträucher am Feldrand sorgen dafür, dass der Ackerboden länger Feuchtigkeit speichert und verhindern, dass fruchtbare Erde vom Wind abgetragen wird. © Franck Braske | Pixabay

Entscheidungshilfen fehlen bisher

In der Fallregion Rhinluch im Norden Brandenburgs gingen die Forschenden noch weiter in die Tiefe. Gemeinsam mit den Landwirtinnen und Landwirten ermittelten sie, wie nachhaltige Intensivierung in dieser von Niedermooren geprägten Region sinnvoll gestaltet werden kann. Aus den ehemaligen Mooren sind durch Trockenlegung häufig Wiesen und Weiden geworden, auf denen heute Rinder stehen. Es gibt kleine Kürbisfelder, großflächige Getreideäcker, biologisch oder konventionell wirtschaftende Betriebe. »Die Flächen hier stehen auch politisch im Fokus, denn Moorschutz ist eine wichtige Komponente des Klimaschutzes«, betont Annette Piorr. Im Rhinluch ist das Wassermanagement daher ein großes Thema: Kann der Grundwasserspiegel stellenweise wieder angehoben und können die Flächen gleichzeitig weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden?

»Es gibt viele innovative, unternehmerisch denkende Landwirtinnen und Landwirte, die neue Netzwerke pflegen und für Veränderungen bereit sind«, hat Annette Piorr beobachtet. »Wer einmal angefangen hat, weitet das auch gern aus«, schildert sie. »Und wer sich verantwortlich für seine Region fühlt, ergreift eher Maßnahmen.« Dennoch fehlten Entscheidungshilfen, die genau auflisten, welche Folgen für die Produktionskosten, den Umsatz und die Umwelt jeweils entstehen. Für welche seltenen Vogel- oder Insektenarten ist eine angelegte Hecke oder ein Blühstreifen tatsächlich lebensrettend? Wie wirkt sich das gleichzeitig auf die Bodenqualität und den Ertrag angrenzender Felder aus? Wer solche Folgen genau kennt, kann sich leichter für oder gegen eine Maßnahme entscheiden. In Landschaftslaboren und Feldversuchen sammelt die Wissenschaft Daten, um genau diese Informationen künftig detailliert liefern zu können.

Nachhaltigkeit ist ansteckend

Eine Entscheidungshilfe für nachhaltige Intensivierung scheint oft aber auch der Nachbar zu sein: »Wir haben das Phänomen des ‚Postleitzahleneffekts‘ beobachtet«, schildert Meike Weltin. Dort, wo bestimmte Maßnahmen, wie etwa eine schonende Bodenbearbeitung oder Untersaaten zur Unkrautbekämpfung, bereits umgesetzt wurden, traten sie lokal gehäuft auf. Die benachbarten Betriebe ließen sich von erfolgreichen Erfahrungen ihrer Kolleginnen und Kollegen anstecken.

»Mit Austausch und Lerneffekten kann man sehr viel erreichen«, schlussfolgert Meike Weltin. Um das notwendige Erfahrungswissen besser zwischen den einzelnen landwirtschaftlichen Betrieben, aber auch zwischen Forschung und Landwirtschaft zu transportieren, müssten Austauschformate, Experimentierregionen sowie Landschaftslabore unterstützt und ausgebaut werden, fordern die Forscherinnen. »Ein lebendiger Erfahrungsaustausch, der an die jeweilige Situation angepasst ist, kann Hürden senken«, erklärt Annette Piorr.

Dr. Annette Piorr leitet am ZALF die Arbeitsgruppe »Landnutzungsentscheidungen im Raum- und Systemkontext« im Programmbereich 3 »Agrarlandschaftssysteme«. Dr. Meike Weltin hat bis Januar 2020 in ebenjener Arbeitsgruppe am ZALF gearbeitet und promoviert. Aktuell ist sie Referentin im Bundeskanzleramt.
Dr. Annette Piorr leitet am ZALF die Arbeitsgruppe »Landnutzungsentscheidungen im Raum- und Systemkontext« im Programmbereich 3 »Agrarlandschaftssysteme«. Dr. Meike Weltin hat bis Januar 2020 in ebenjener Arbeitsgruppe am ZALF gearbeitet und promoviert. Aktuell ist sie Referentin im Bundeskanzleramt. © Tom Baumeister | ZALF
Institution: Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)
Ansprechpartner/in: Dr. Meike Weltin

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