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Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)

Nadja Pernat im Interview: Das Land der Mückenforscher  

Gesundheit Insekten
Nadja Pernat
Der "Mückenatlas" kartiert Stechmücken in Deutschland - basierend auf Einsendungen tausender, durch Bürgerinnen und Bürger gefangener Mücken. Nadja Pernat wertet die gesammelten Daten aus und spricht im Interview über die Vor- und Nachteile von Citizen Science sowie die Menschen hinter den Einsendungen. © Tom Baumeister | ZALF

Interview: KRISTINA BACKHAUS

Jedes Jahr senden tausende Menschen Mücken an den »MÜCKENATLAS«. Damit helfen sie der Wissenschaft unter anderem, rechtzeitig vor Krankheiten zu warnen.

Für diejenigen, die lieber hören, statt lesen

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Frau Pernat, jedes Jahr senden Tausende von Menschen selbstgefangene Stechmücken nach Müncheberg und liefern so die Datengrundlage für das Forschungsprojekt »Mückenatlas«, einem der größten Citizen-Science-Projekte Deutschlands. Was können Sie uns über die Vorteile dieser Methode erzählen?

Der große Vorteil sind die vielen Teilnehmenden. So kommen wir sehr effizient über einen langen Zeitraum bundesweit an Daten. Das könnte in diesem Umfang keine Forschungseinrichtung leisten. Wir konnten nur dank der zahlreichen Zusendungen bestimmte Fragestellungen überhaupt erst beantworten. Zum Beispiel kommen zwei Drittel der eingesendeten Mückenfänge aus Innenräumen, etwa aus dem Wohnzimmer oder dem Bad. Dadurch konnten wir zum ersten Mal für Deutschland eine ›indoor‹-Artenliste erstellen und zusätzlich die Artengemeinschaften auf dem Land und in der Stadt miteinander vergleichen.

Ergeben sich durch den Citizen-Science-Ansatz auch neue Herausforderungen?

Die gibt es natürlich auch. Ein wichtiger Teil meiner Arbeit besteht darin herauszufinden, welche Verzerrungen hinter den Daten stecken. Nehmen wir das einfache Beispiel Bevölkerungsdichte: Aus Orten, wo viele Menschen wohnen, erhalten wir auch viele Einsendungen. Wenn wir nicht aufpassen beim Auswerten der Daten, könnten wir zu dem Schluss kommen, dass es in den Städten viel mehr Stechmücken gibt als auf dem Land. Was natürlich so nicht stimmt.

Wie kommen Sie denn von den einzelnen Einsendungen zu Ihren Erkenntnissen?

Wenn uns jemand eine Mücke zusendet, liegt auch ein ausgefülltes Einsendeformular mit Fangort und Fangdatum bei, oft auch mit Kommentaren, wo genau die Stechmücke gefangen wurde – vom benachbarten Naturschutzgebiet über die Vogeltränke im Garten bis hin zum Schlafzimmerschrank. Unsere Datenbank ergänzt diese Informationen. Kommt die Einsendung vom Land oder aus der Stadt? Ist da ein See in der Nähe? Mit Hilfe statistischer Methoden kann ich dann herausfinden, ob zwischen den vielen Einzelinformationen ein Zusammenhang besteht oder nicht. Da ist also noch einiges an Arbeit von unserer Seite nötig, bevor wir die Daten wissenschaftlich verwerten können.

Wer sind denn die Menschen, die am Mückenatlas teilnehmen?

Die sind tendenziell eher männlich, etwas älter und haben oft einen höheren Bildungshintergrund. Das ist nicht ungewöhnlich für Freiwilligenprojekte. Die Hauptmotivation der Leute ist es, die Forschung zu unterstützen und anderen Menschen zu helfen. Das ist schön zu sehen. Interessant ist auch die Tendenz der Menschen, gezielt nach invasiven Arten zu suchen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass man in den Medien oft Bilder von Tiger- oder Buschmücken sieht. Wir bekommen dann viele Exemplare mit geringelten Beinen, die extrem groß oder dunkel sind. Das sind aber meist einheimische Arten, die Tigermücke ist eher klein. Die gezielte Suche der Teilnehmenden nach invasiven Arten ist aber auch ein Vorteil, denn manchmal ist tatsächlich eine invasive Art dazwischen. Alle Erstnachweise in befallenen Bundesländern gehen auf Einsendungen an den Mückenatlas zurück, und nicht durch unser eigenes Fallennetzwerk, das wir parallel betreiben.

Weiterführende Informationen

Nadja Pernat promoviert an der Freien Universität Berlin und forscht am ZALF in der Arbeitsgruppe »Biodiversität aquatischer und semiaquatischer Landschaftselemente«.

Mehr Informationen unter: www.mueckenatlas.com

Institution: Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)
Ansprechpartner/in: Nadja Pernat

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