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Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)

„Ökolandbau erbringt relevante Umweltleistungen“ – Interview mit Dr. Karin Stein‑Bachinger  

Landnutzung Landwirtschaft Nachhaltigkeit Ökolandbau Ökosystemleistungen Umweltbildung
Eine Frau bei der Feldarbeit
© Zoe Schaeffer | Unsplash

Interview: NORA LESSING

Ökologischer Landbau erhält die Artenvielfalt, schont Böden und Ressourcen. Warum es mehr Forschung zu Ökolandbau braucht, wie Ökobetriebe Tiere und Pflanzen noch besser schützen und Verbraucherinnen und Verbraucher sich für mehr Naturschutz einsetzen können, erklärt die Agrarexpertin Dr. Karin Stein‑Bachinger vom Leibniz‑Zentrum für Agrarlandschaftsforschung im Interview.

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Dr. Karin Stein-Bachinger
Dr. Karin Stein-Bachinger forscht am ZALF in der Arbeitsgruppe "Bereitstellung von Biodiversität in Agrarsystemen" © Silke Urban

Frau Stein‑Bachinger, Sie forschen seit mehr als 30 Jahren zu ökologischer Landwirtschaft. Wodurch zeichnet sich diese aus?

Der Leitgedanke im ökologischen Landbau ist, von der Produktion bis hin zur Vermarktung ressourcenschonend zu wirtschaften und ökologische, ökonomische und soziale Interessen zu berücksichtigen, um zur Ernährungssicherung und zur nachhaltigen Entwicklung unserer Kulturlandschaft beizutragen. Im Sinne einer Kreislaufwirtschaft soll das System aus sich selbst heraus stabil und nachhaltig sein und sich dabei finanziell lohnen. Vielseitige Fruchtfolgen mit mehrjährigem Kleegras und der Verzicht auf mineralische Stickstoffdünger sowie chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel sind Kernelemente. Zudem wird eine flächenabhängige Tierhaltung praktiziert und der Futterzukauf ist begrenzt. Der Ökolandbau steht für produktive Landwirtschaft, die umweltverträglich und sozial gerecht ist.

Inwiefern schneidet Ökolandbau mit Blick auf den Umwelt‑ und Ressourcenschutz besser ab als konventioneller Anbau?

In einer Metastudie, die 2019 veröffentlicht wurde, haben wir gemeinsam mit anderen Forschungseinrichtungen konventionelle und ökologische Landwirtschaft miteinander verglichen. Insgesamt wurden 528 Studien ausgewertet. Bei 58 Prozent der rund 2.800 Vergleichspaare zeigten sich klare Vorteile des ökologischen Landbaus, sowohl mit Blick auf Klimaschutz und -anpassung, den Wasserschutz und die Bodenfruchtbarkeit als auch auf die Biodiversität und die Ressourceneffizienz. Das macht deutlich, dass ökologischer Landbau gesellschaftlich relevante Umweltleistungen erbringt. So haben Ökobetriebe im Mittel eine höhere Artenvielfalt und die Böden haben höhere Humusgehalte, können mehr Wasser aufnehmen und sind dadurch weniger erosionsgefährdet. Auch wird deutlich weniger Nitrat ausgewaschen als in konventionellen Betrieben.

Warum sollten wir Ertragseinbußen zugunsten des Umweltschutzes in Kauf nehmen?

Eine intensive Bewirtschaftung mit hohem Pflanzenschutz- und Düngemitteleinsatz ermöglicht dichte Kulturpflanzenbestände mit hohen Erträgen. Dies lässt jedoch wenig bis keinen Raum für Artenvielfalt auf der Nutzfläche. Viele wild lebende Arten im Acker und Grünland sind an eine weniger intensive Bewirtschaftung gebunden, die mit Ertragseinbußen für die Landwirtinnen und Landwirte einhergeht. Diese Verluste müssen ausgeglichen werden. So werden Forderungen lauter, Agrarsubventionen stärker an die von der Landwirtschaft erbrachten Umweltleistungen zu knüpfen. Auch die hohe Belastung der Gewässer mit Nitrat und der Verbrauch an Pflanzenschutzmitteln wird viel diskutiert. Aktuell besteht EU-weit das Ziel, ihren Einsatz bis zum Jahr 2030 um 50 Prozent und den von mineralischem Stickstoffdünger um 20 Prozent zu reduzieren.

Was können Ökobetriebe tun, um Wildtiere und ‑pflanzen besser zu schützen?

Am ZALF haben wir ein Praxishandbuch mit mittlerweile mehr als 150 Naturschutzmaßnahmen erarbeitet. Damit geben wir den Landwirtinnen und Landwirten verschiedene Auswahlmöglichkeiten für ihren Standort und Betriebstyp an die Hand. Ein Beispiel: Kleegras ist Bestandteil der Fruchtfolge im ökologischen Landbau und wertvoll für die Bodenfruchtbarkeit. Zugleich brüten Vögel wie die Feldlerche gern darin. Durch Untersuchungen haben wir herausgefunden, dass sie sehr davon profitiert, wenn das Kleegras nicht wie üblich nach fünf bis sechs, sondern erst nach acht Wochen geschnitten wird. Weil die Futterqualität mit der Zeit sinkt, ist es für die Milchviehfütterung dann nicht mehr geeignet. Genutzt werden kann es zum Teil noch für Jungrinder, als Pferdeheu oder Einstreu. Für die Landwirtinnen und Landwirte bedeutet das dennoch einen finanziellen Verlust, der ausgeglichen werden muss.

Was kann einem Betrieb dabei helfen, die für ihn effizientesten Naturschutzmaßnahmen zu identifizieren?

Herauszufinden, auf welchen Flächen sich aus ökologischer Sicht welche Naturschutzmaßnahmen lohnen, ist komplex. So sollten etwa Maßnahmen zum Feldvogelschutz nur auf Flächen erfolgen, auf denen diese Tiere auch brüten. Hier ist Naturschutzberatung essenziell – durch Beraterinnen und Berater, die sowohl Landwirtschafts- als auch Naturschutzkenntnisse haben. In einigen Bundesländern gibt es bereits eine solche Naturschutzberatung für die Landwirtschaft.

Wo sehen Sie mit Blick auf den ökologischen Landbau noch Forschungsbedarf?

Die Frage, wie intensiv sich Flächen bei gleichzeitiger Förderung der Artenvielfalt bewirtschaften lassen, ist nicht abschließend beantwortet. Auch die Stärkung der Selbstregulationsfähigkeit ist ein wichtiges Forschungsthema – zum Beispiel die Förderung von Nützlingen durch entsprechende Anbauverfahren und die Züchtung noch widerstandsfähigerer Kulturpflanzen. Weiterhin im Fokus stehen muss die Tiergesundheit. Fragestellungen innerhalb konkreter landwirtschaftlicher Betriebssysteme zu bearbeiten ist wichtig, um belastbare, praxistaugliche Forschungsergebnisse zu erhalten. Die brauchen wir, wenn wir – wie im Koalitionsvertrag festgeschrieben – den Anteil von Ökolandbau auf 30 Prozent erhöhen wollen. Demnach müssten also mehr Gelder aus dem Agrarforschungsbudget in die Ökolandbauforschung fließen.

Was können Verbraucherinnen und Verbraucher tun, um Naturschutz zu fördern?

Artenvielfalt direkt unterstützen können Verbraucherinnen und Verbraucher zum Beispiel heute schon durch den Kauf mancher Produkte. Zukünftig sollte das am besten noch mit Blick auf viel mehr Produkte der Fall sein. Wichtig ist, dass den Landwirtinnen und Landwirten am Ende nicht allein die Schuld zugewiesen wird. Wir alle stehen in der Verantwortung – unsere Kaufentscheidungen, die Verringerung des Fleischkonsums und der Lebensmittelabfälle gehören mit in diese Diskussion.

Institution: Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)
Ansprechpartner/in: Dr. Karin Stein-Bachinger

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