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Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB)

Tropfen für Tropfen  

Agrarlandschaften Digitalisierung Klimawandel Nachhaltigkeit Wasser
Nahaufnahme von Getreideähren mit Wassertropfen.
Wassertropfen im Gerstenfeld © Lars Nissen | Pixabay

Text: PETRA KRIMPHOVE

Zu kostbar zum Verschwenden: Zunehmend heiße und trockene Sommer zwingen die Landwirtschaft dazu, ihren Umgang mit Wasser anzupassen. Dabei hilft Forschung auf vielen Ebenen – vom Boden bis zum All.

Für diejenigen, die lieber hören, statt lesen

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Die Zahlen klingen zunächst wenig beunruhigend. Nur drei Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland werden bewässert. Im Vergleich dazu: In Ägypten sind es 93 Prozent und in Italien immerhin ein Drittel. Doch der Wasserbedarf von landwirtschaftlichen Betrieben wird in Zeiten des Klimawandels auch hierzulande weiter steigen. Allein zwischen 2009 und 2019 wuchs die bewässerte Freilandfläche in Deutschland um 36 Prozent.
Niederschlag ist für Pflanzen insbesondere dann wichtig, wenn sie wachsen, blühen und fruchten – also im Frühling, Sommer und Herbst. Tatsächlich verschiebt sich der Regen aber vermehrt in die Winter. In Dürresommern mit langen Hitzeperioden und geringen Niederschlägen sinken zudem der Grundwasserspiegel sowie die Pegel von Flüssen und Seen – allesamt auch wichtige Quellen für die Bewässerung. Verschiedene Forschungsprojekte beschäftigen sich deshalb mit dem möglichst produktiven Einsatz von Wasser. Sie nutzen dabei unter anderem zwei zentrale Hebel: die Bewässerungstechnologie und die Digitalisierung, Letztere insbesondere in Form von Sensoren.

Den Durst im Boden aufspüren

„Sensoren haben einen Entwicklungsschub in die Bewässerungstechnik gebracht“, sagt Dr. Manuela Zude-Sasse. Sie erforscht am Leibniz-Institut für Agrartechnik und BioökonomieBioökonomieDer Begriff Bioökonomie (auch biobasierte Wirtschaft genannt), wie er in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion genutzt wird, umfasst alle industriellen und wirtschaftlichen Sektoren und deren zugehörige Dienstleistungen, die biologische Ressourcen produzieren, ver- und bearbeiten oder diese in verschiedenen Formen nutzen.
(Quelle: https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/lexikon-a-z)
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e. V. (ATB) in Potsdam digitale Technologien zum Wassereinsatz im Obst- und Gemüsebau. Denn die Sensoren liefern Informationen über den exakten Wasserbedarf der Pflanzen, digital gesteuerte Bewässerungssysteme sollen das Wasser dann im genau benötigten Umfang dorthin bringen, wo es gebraucht wird. Bislang standen den Anbaubetrieben nur recht allgemeine Informationen aus Wetterstationen und Bodendaten zur Verfügung, um den Wasserbedarf zu berechnen. Mit Sensoren lässt sich nun unter anderem auch die Bodenfeuchtigkeit vor Ort, der Zustand der Früchte oder auch die gesamte Blatt- und Gehölzoberfläche der Pflanzen bestimmen. All dies liefert wichtige Hinweise auf den Bewässerungsbedarf.
Im Obst- und Gemüsebau ist die künstliche Bewässerung von Apfelbäumen, Zucchini und Tomaten Standard. Sie ermöglicht den Betrieben unabhängig vom Niederschlag optimale Ernteergebnisse. Dort bringen meist Tropfsysteme am Boden das Wasser effizient und zielgenau an die Wurzel. Es dringt sofort in die Erde ein, statt an der Oberfläche der Pflanzen zu verdunsten. „Der Bewässerungsbedarf im Obstanbau hat sich aber während der heißen Dürresommer wie 2018 und 2020 stark erhöht“, erklärt Zude-Sasse. Mit dem Einsatz von Sensoren ließe sich die Tröpfchenbewässerung weiter optimieren. Statt alle Reihen einer Obstplantage würden nur jene mit Wasser versorgt, die digital einen Bewässerungsbedarf signalisieren.
Doch wie erkennen die Sensoren eigentlich den Durst einer Pflanze? „An Traktoren befestigte Laserscanner können etwa die Baumoberflächen erfassen“, erläutert die Forscherin. Diese Oberfläche gibt Aufschluss darüber, wie viel Wasser bei Niederschlag auf Gehölzen und Blättern verdunstet, ohne dass die Pflanze ihn nutzen kann. Bei einer großen Baumkrone muss die Wurzel dann entsprechend stärker bewässert werden.
Andere Sensoren senden direkt von der Pflanze aus Signale, zum Beispiel sogenannte Dendrometer. Sie werden wie zarte Klammern um Stamm oder auch Früchte gelegt und zeigen an, ob diese in zu großer Dürre schrumpfen. Dann ist es höchste Zeit, den Hahn aufzudrehen.
„Dendrometer sind allerdings recht aufwendig und werden eher in Anbaugebieten wie Kalifornien genutzt, die noch stärker als Deutschland unter Trockenheit leiden“, so die Wissenschaftlerin.
Gemeinsam mit sechs Brandenburger Obstbaubetrieben testet Zude-Sasse derzeit ein alternatives System für den heimischen Markt, das als ersten Schritt verschiedene Informationsebenen in einer Online-Anwendung zusammenführt. Es verbindet in einer Cloud gespeicherte detaillierte Bodendaten für eine gewählte Obstanlage mit aktuellen Wetterdaten, Informationen über den Reifegrad der Früchte und Sensor-Informationen über die Größe der Bäume. Auf Basis dieser Daten errechnet das Programm, ob und wo eine Bewässerung nötig ist.
Auch wenn dadurch der Wassereinsatz schon genauer zu steuern ist, wäre das nur ein Zwischenschritt: Die große Herausforderung für die Forschenden besteht derzeit darin, aus all den erfassten Informationen Algorithmen zu bilden, die dann Bewässerungssysteme gezielt und automatisch in Gang setzen. „Für den professionellen Anbau gibt es das noch nicht“, sagt die Potsdamer Forscherin.

Verdunstung verhindern

Dennoch wird Wasser im Obst- und Gemüseanbau durch die Tröpfchentechnik heute bereits viel effizienter eingesetzt, als dies etwa auf großen Agrarflächen geschieht. Dort schießen an heißen Sommertagen oft dieselbetriebene mobile Starkregner im hohen Bogen Wasserfontänen auf Mais-, Weizen- oder Kartoffelfelder. „Starkregner sind hierzulande noch immer die häufigste, energieintensivste und zugleich am wenigsten effiziente Bewässerungsmethode“, sagt Dr. Katrin Drastig, Expertin für Wasserkreisläufe am ATB. Ein beachtlicher Teil des Wassers verdunstet in der Luft, bevor er den Boden erreicht. Eine modernere Version sind Kreisberegnungsanlagen, wie man sie vor allem auf großen Feldern im Osten Deutschlands sieht. Aber auch sie gießen wenig zielgerichtet und verschwenden daher Wasser. Bei Wind verteilen sie es jedoch bodennäher und genauer als die Starkregner und benötigen weniger Energie, so die Expertin.

Doch welche Bereiche des Feldes brauchen eigentlich mehr und welche weniger Wasser? Hier hilft auch ein Blick aus der Vogelperspektive. „Für große Agrarflächen können Satellitendaten die am Boden erhobenen Daten sinnvoll ergänzen“, sagt die Hydrogeologin Drastig. Ihr Potsdamer Team untersuchte in dem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderten Projekt „ALCIS“ (Agricultural Low Cost Integral System), inwiefern frei zugängliche Fernerkundungsdaten für große Anbauflächen nützlich sein können. In regelmäßigem Abstand erfasste Satellitenbilder zeigen zum Beispiel, wie sich die Oberflächentemperatur eines Feldes und seine Verdunstungsrate entwickeln. Beides sind wichtige Indikatoren für Trockenstress. Pflanzen kühlen sich durch Verdunstung herunter. Bei Wassermangel sinkt die Verdunstungsrate, folglich steigt die Temperatur auf der Blattoberfläche: Der Blick auf die Hitzeverteilung eines Feldes zeigt also an, wo genau es höchste Zeit für eine Bewässerung ist.
Drastigs Blick auf die Wassereffizienz gilt nicht nur dem Pflanzenanbau, sondern richtet sich auf den gesamten landwirtschaftlichen Betrieb. Wie viel Wasser nutzt der einzelne Betrieb? Wie viel steckt in seinen Produkten? Drastigs Arbeitsgruppe „Wasserproduktivität in der Landwirtschaft“ hat am ATB eine entsprechende Methodik entwickelt, das AgroHyd-Farmmodell. Damit können Betriebe auf der Basis von Boden- und Klimadaten zum Beispiel errechnen, wie viel Wasser sie auf ihren Feldern zur Erzeugung von einem Kilogramm Kartoffeln benötigen. Diese Wasserproduktivität ist ein wichtiger Indikator: Der Landwirtschaftsbetrieb kann entsprechend planen oder sich für andere, wassersparendere Pflanzen entscheiden.

Mehr Regenwasser nutzen

Nach und nach arbeitet das ATB-Team immer mehr Parameter in das AgroHyd-Modell ein, zum Beispiel Informationen, ob Betriebe ihr Abwasser wiederverwenden oder Regenwasser sammeln. Beides würde sich positiv auf die Wasserproduktivität auswirken, passiert hierzulande aber noch viel zu selten. Während das regenarme Israel und Malta mehr als 90 Prozent ihrer Abwässer recyceln, sind es in Deutschland weniger als 30 Prozent. Erst seit 2020 darf laut einer neuen EU-Verordnung gereinigtes Abwasser zur Bewässerung von landwirtschaftlichen Produkten eingesetzt werden, die nicht roh verzehrt werden. Rückhaltebecken und Wasserreservoire könnten zusätzlich Niederschlag auffangen. „Doch es gibt hierzulande zu wenige von ihnen, weil ihre Notwendigkeit in der Vergangenheit schlichtweg unterschätzt wurde“, sagt Drastig. Nun wächst aber die Einsicht, dass sie ein wichtiger Baustein gerade im Kontext steigender Trockenheit aufgrund des Klimawandels sind.
Damit die Ergebnisse der Forschung auch von Nutzen für die Praxis sind, ist ein Wissenstransfer entscheidend. Außerdem setzen sich Innovationen, ausgefeilte Modelle und Technologien rund um die Wassereffizienz nur durch, wenn sie ökonomisch für die Landwirtschaft tragbar sind. Drastig plädiert dafür, die Betriebe noch besser zu informieren und Anreize zu setzen – und gleichzeitig auch Mindeststandards bei der Bewässerung einzuführen. Sie nennt ein Beispiel: In Brandenburg fördert das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK) neue Bewässerungsanlagen und -techniken nur dann finanziell, wenn diese insgesamt mindestens 15 Prozent Wasser einsparen.
Fest steht, dass das Thema mit den vergangenen Dürrejahren an Fahrt aufgenommen hat. „Ich bekomme derzeit sehr viele Anfragen aus der Praxis“, sagt die Wissenschaftlerin. „Das Interesse an einem effizienteren Umgang mit Wasser hierzulande wächst.“

 

Erschien zuerst im/auf: Forschungsfelder Magazin, Ausgabe 01/23
Institution: Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB)
Ansprechpartner/in: Dr. Katrin Drastig, Dr. Manuela Zude-Sasse

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