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Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)

Vom Winde verweht  

Boden Bodenfruchtbarkeit Dünger Gesundheit Landwirtschaft

Text: JULIA LIDAUER

Wind schafft Veränderung, bewegt Wellen und Wolken und gestaltet ganze Landschaften. Wir freuen uns, wenn an einem heißen Strandtag eine frische Meeresbrise aufzieht und Kinder ihre Drachen steigen lassen. Wind transportiert vieles, vom kleinsten Staubkorn bis zum Segelflugzeug – manchmal auch »blinde Passagiere«. Dazu zählen beispielsweise Bakterien, die sich im Dünger befinden und durch Bodenbearbeitung aufgewirbelt werden. Ein Forschungsteam hat jetzt die Verbreitung von antibiotikaresistenten Keimen in der Landwirtschaft genauer untersucht.

Hörbeitrag

Für diejenigen, die lieber hören, statt lesen.

1942 kam das erste Antibiotikum auf den Markt. Penicillin galt als Wundermittel gegen Bakterien. Nicht einmal 100 Jahre später bereiten uns antibiotikaresistente Keime nun große Sorgen. Durch einen überhöhten Einsatz von Antibiotika bei Mensch und Tier haben Bakterien Resistenzen gegen Antibiotika entwickelt. Deren Wirksamkeit lässt immer weiter nach und mehr Menschen sterben an Infektionen mit diesen Keimen. Die Forschung sucht daher nach neuen Medikamenten zu Ihrer Bekämpfung. Gleichzeitig müssen wir besser verstehen, wie sich diese Bakterien verbreiten.

In der Tierhaltung werden Antibiotika eingesetzt, um bei steigender Produktion angesichts der weltweit zunehmenden Nachfrage nach Fleisch Krankheitsausbrüche zu vermeiden. Verzehren wir Menschen Produkte von Tieren, die mit Antibiotika behandelt wurden, dann nehmen wir deren Rückstände ebenfalls auf. Forschende des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V. interessiert, inwieweit wir auch über die Ausscheidungen der Tiere, die als Dünger auf unseren Feldern genutzt werden, in Kontakt mit antibiotikaresistenten Keimen kommen.

Der Meteorologe Steffen Münch hat sich dieses Themas angenommen. Seit mehr als drei Jahren forscht er am ZALF, aktuell im von der Leibniz-Gemeinschaft geförderten Projekt »SOARiAL«. Wie er zur Agrarlandschaftsforschung gekommen ist? »In der Meteorologie ist die sogenannte atmosphärische Grenzschicht die entscheidende Schicht, die für den Transport von kleinsten Partikeln und Bakterien von der Erdoberfläche in die Atmosphäre verantwortlich ist«, sagt der Wissenschaftler. »Bereits während meines Studiums habe ich begonnen, mich mit solchen Partikeln zu beschäftigen, und dazu gehören bevorzugt eben auch jene, die aus Ackerböden freigesetzt werden.« Im Projekt untersuchen vier Leibniz-Institute sowie die Freie Universität Berlin gemeinsam die Verbreitung von antibiotikaresistenten Keimen in landwirtschaftlich geprägten Landschaften. Im Fokus: der sogenannte »atmosphärische Transportpfad« mit Hilfe des Windes.

Kritische Phasen bei der Feldarbeit

Fest steht, dass antibiotikaresistente Keime sowohl im Fleisch als auch in den Ausscheidungen der Tiere überleben können. Nachgewiesen wurden die multiresistenten Erreger im Projekt beispielswiese in Hühnerställen. Aber auch Ausscheidungen von Schweinen, Kühen und anderen Tieren werden in der Landwirtschaft als organischer Dünger eingesetzt. Hier sehen die Forschenden eine Vielzahl von Risiken. »Wir haben vier Phasen identifiziert, in denen die Gefahr besteht, dass die Bakterien überleben und zum Beispiel über die Luft in die Umgebung weitertransportiert werden könnten«, so Münch. Die erste kritische Phase ist die Lagerung des Mistes. Wie lange können die antibiotikaresistenten Keime hier überleben? Die Ausbringung des Düngers auf die Felder ist eine weitere kritische Phase, denn dabei entsteht viel Staub, besonders dann, wenn der Dünger gut getrocknet ist. Bakterien wiederum – und zwar alle, egal ob antibiotikaresistent oder nicht – nutzen diese Staubpartikel gern als Träger, um längere Distanzen überwinden zu können. Wenn der Dünger dann auf dem Feld verteilt wurde, muss er eingearbeitet werden. Auch bei diesem Arbeitsschritt entstehen wieder Staubemissionen und damit die dritte kritische Phase. Ist das Feld nach Ausbringung und Einarbeitung des Düngers für eine Weile unbedeckt, weil die Pflanzen noch nicht sofort wachsen, kann es zu Winderosion kommen. Besonders sandige Böden sind davon betroffen. Durch die Kraft des Windes werden hierbei die leichtesten Bodenpartikel abgetragen und abtransportiert – eine weitere kritische Phase.

Vor allem die auf den Feldern eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie anliegende Gemeinden sind bei diesen Arbeitsschritten den Staubwolken und damit einem erhöhten Risiko ausgesetzt, diese kleinen Staubpartikel – und damit möglicherweise auch die antibiotikaresistenten Keime – einzuatmen.

Je trockener der Dünger ist, der auf das Feld ausgebracht wird, desto mehr Feinstaub wird freigesetzt. Vormittags werden die Staubpartikel nicht so weit transportiert. © Roger Funk | ZALF
Je trockener der Dünger ist, der auf das Feld ausgebracht wird, desto mehr Feinstaub wird freigesetzt. Vormittags werden die Staubpartikel nicht so weit transportiert. © Roger Funk | ZALF

Was wäre wenn?

Mithilfe von Computersimulationen fand das Projektteam heraus, dass der Staub, der während der Düngerausbringung im Brandenburgischen Müncheberg entsteht, theoretisch bis zur Schwarzmeerküste transportiert werden könnte – das sind über 1500 Kilometer.

Wie weit dieser tatsächlich transportiert werden kann, hängt neben weiteren Faktoren stark von der Tageszeit ab: »Nachts entsteht eine Sperrschicht. Diese kann man sich als eine Art Deckel in der Atmosphäre vorstellen, der einen Luftaustausch verhindert. Vormittags ist diese Sperrschicht noch aktiv und die Staubpartikel werden nicht so weit transportiert«, erklärt Münch. Die optimale Zeit für die Düngerausbringung und -einarbeitung ist daher vormittags.

Entwarnung

Nach 36 Monaten Forschungsarbeit liegen nun die Ergebnisse vor. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können für die von ihnen untersuchten 9,3 Hektar Versuchsflächen Entwarnung geben: Zwar wurden im Hühnerstall noch antibiotikaresistente Bakterien festgestellt. Aber weder in dem von wenigen Tagen bis vier Wochen gelagerten Dünger, noch in den Staubwolken, die durch Ausbringung und Einarbeitung entstanden, konnte eine Kontaminierung mit antibiotikaresistenten Keimen nachgewiesen werden. Auch der Boden, in den der Dünger eingearbeitet wurde, blieb frei von einer Belastung mit multiresistenten Erregern.

»Bakterien mögen Feuchtigkeit – insbesondere feuchte Wärme. Deshalb ist es ratsam, dass frischer Dünger zunächst getrocknet wird, bevor er auf das Feld kommt.« erklärt Münch.

Das heißt, die Lösung ist ganz einfach? Der Dünger muss einfach nur vollständig ausgetrocknet werden? Nicht ganz: »Je trockener der Dünger ist, der auf das Feld ausgebracht wird, desto mehr Feinstaub wird freigesetzt. Auch Feinstaub ist gesundheitsschädigend und schließlich soll der Dünger ja auf das Feld und nicht als Feinstaub durch die Luft wirbeln. Die ideale Lösung wäre daher eine Trocknung mit Heißluft und eine anschließende Wiederanfeuchtung. Aber das ist sehr kosten- und zeitintensiv und in der Praxis schwer umsetzbar«, weiß Münch.

Entscheidend für das Absterben der antibiotikaresistenten Bakterien ist neben des Feuchtigkeitsgehalts die Lagerungsdauer des Hühnermists. »Unsere Ergebnisse zeigen, dass antibiotikaresistente Bakterien im Mist bereits nach drei bis fünf Tagen Lagerungsdauer nicht mehr überlebensfähig sind«, so Münch. Außerdem untersuchte sein Team auch Schweinedung. Dieser verhält sich nach der Trocknung im Emissionsverhalten ähnlich wie der Hühnerdung. Schweinedung ist jedoch von Natur aus feuchter und muss stärker getrocknet werden, um die gleiche Reduktion pathogener Keime wie beim Hühnermist zu erreichen.

»Bei unseren Versuchen konnten wir nicht feststellen, dass antibiotikaresistente Bakterien über Winderosion transportiert werden. Auch der mit Dung behandelte Boden war frei von antibiotikaresistenten Bakterien«, fasst Münch zusammen.

Weiterführende Informationen

Für den Hörbeitrag haben wir den Sound “WindinCornfield.wav” von RepDac3, gefunden auf Freesound.org, verwendet.

Institution: Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)
Ansprechpartner/in: Steffen Münch

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