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Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)

Bauern & Krise: Interview mit Prof. Klaus Müller und Dr. Annette Piorr  

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Bauernproteste Berlin
Bauernproteste Berlin © masumol | Pixabay

Interview: KRISTINA BACKHAUS

Die Bauernproteste der letzten Wochen haben die wirtschaftliche Lage der deutschen Landwirtschaft wieder stark in den öffentlichen Fokus gerückt. Prof. Klaus Müller und Dr. Annette Piorr vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) geben Einblicke in die aktuellen Herausforderungen für Landwirtschaftsbetriebe und zeigen Lösungswege auf.

Für diejenigen, die lieber hören, statt lesen

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Wie steht es um die wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft? Können Sie die Proteste nachvollziehen?

Klaus Müller: Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Die Aufregung der Landwirtinnen und Landwirte ist verständlich, denn die Ankündigung, die Agrarsubventionen zu kürzen, kam überraschend und war von der Ampelkoalition nicht ausreichend durchdacht. Dies ist besonders problematisch, da die Betriebe bei wichtigen Produkten wie Weizen, Milch, Zucker, Schweine- und Rindfleisch im internationalen Wettbewerb stehen. Jede Kostensteigerung, wie z. B. der Wegfall der Agrardieselbeihilfe, verschlechtert die Position der deutschen Landwirtschaft im internationalen Wettbewerb.

Annette Piorr: Die Landwirtschaft befindet sich seit langem in einer komplexen Problemlage. Einerseits geht es um die Wertschätzung der Leistungen der Landwirtinnen und Landwirte für die Gesellschaft. Sie erzeugen nicht nur heimische Produkte und tragen zur Ernährungssicherung in Deutschland bei, sondern erfüllen auch hohe Standards im Natur- und Verbraucherschutz. Auf der anderen Seite sind die finanziellen Belastungen für die Betriebe in den letzten Jahren, auch bedingt durch verschiedene Krisen, gestiegen und lassen ihnen kaum noch wirtschaftliche Spielräume. Die Produktionskosten steigen kontinuierlich, während die Erzeugerpreise, also das Geld, das bei den Landwirtinnen und Landwirten ankommt, stark schwanken oder sogar sinken.

Was hat ein Brandenburger Landwirt mit dem internationalen Wettbewerb zu tun?

Müller: Die meisten Marktfruchterzeuger in Brandenburg bauen Weizen oder Roggen an, die nicht nur national, sondern auch international gehandelt werden. Die Preise werden in der Regel an den großen Börsen festgelegt. Dabei spielen bestimmte Qualitätsstandards eine Rolle, die den Preis beeinflussen. Je niedriger meine Produktionskosten sind, desto besser sind meine Chancen, in diesem Wettbewerb zu bestehen. Jeder Subventionsabbau bzw. jede fehlende Unterstützung ist daher ein Nachteil für die deutschen Betriebe.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass wir in Deutschland sehr hohe Bodenpreise und vielfältige Nutzungsansprüche an den Boden haben. Böden werden nicht nur für den Anbau von Nahrungs- und Futtermitteln genutzt. Täglich werden Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke benötigt und damit der Landwirtschaft entzogen. Landwirtschaftliche Flächen sind mittlerweile auch eine interessante Anlagemöglichkeit zur Diversifizierung des Portfolios. Der Kampf um die Flächen in Deutschland ist daher sehr intensiv und die Flächen werden immer knapper. Dies wirkt sich auf die Pacht- und Bodenpreise aus.

Dr. Annette Piorr und Prof. Klaus Müller vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)
Dr. Annette Piorr und Prof. Klaus Müller forschen schon seit langem am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) zu nachhaltiger Landwirtschaft. @ Kristina Backhaus / ZALF

Was ist mit dem Lebensmitteleinzelhandel?

Piorr: Man redet nicht gerne darüber, aber die Strukturen des Einzelhandels sind weder nachhaltig noch krisenfest noch fair. Auf der einen Seite stehen rund 250.000 Landwirtinnen und Landwirte, auf der anderen Seite Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher und in der Mitte fünf bis sechs große Lebensmitteleinzelhändler. Wenn wir das Agrar- und Ernährungssystem in Deutschland verändern wollen, müssen wir diese Strukturen auf den Prüfstand stellen und uns von Elementen trennen, die den Wandel blockieren. Wir können zum Beispiel mit Stadternährungsstrategien regionale Prozesse fördern und versuchen, die großen Player des Einzelhandels durch neue Märkte und öffentliche Versorgung zu umgehen. So schaffen wir zum Beispiel eine öko-regionale Versorgung von Kitas, Krankenhäusern, Justizvollzugsanstalten. Das ist eine Nische, zeigt aber gleichzeitig die Kraft, die in einem Strukturwandel liegt.

Welche Rolle spielen Subventionen?

Müller: Wir haben überall im Bereich in der landwirtschaftlichen Produktion Subventionen. Das kann man hinterfragen. Deshalb sind die neuen EU-Subventionen stärker auf Ressourcen-, Umwelt- und Naturschutz ausgerichtet. Aber schon kleine Veränderungen an der Subventionsschraube können große Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit haben, auch weil sich die Betriebe nicht so schnell anpassen können. Marktfrüchte haben immer einen Produktionszyklus von einem Jahr. Die Laufzeit getätigter Investitionen reicht von fünf Jahren z. B. für einen Traktor bis zu über 20 Jahren für einen neuen Stall. Agrardiesel ist auf jeden Fall ein wichtiger Kostenfaktor in der Landwirtschaft.

Piorr: Subventionen können im Hinblick auf globale Märkte sinnvoll sein, wenn man damit ein Signal setzt: Wir wollen die heimische Landwirtschaft fördern und keine Produkte importieren, die nicht unseren Qualitätsstandards entsprechen. Gleichzeitig müssen wir bedenken, dass Betriebe in natürlichen Systemen arbeiten, die stark vom Klimawandel beeinflusst werden. Dies führt zu starken Preisschwankungen, die sie zunehmend treffen. Mit Subventionen können wir das abfedern. Nicht zuletzt sollen Subventionen auch unsere Landschaften fördern. 60 Prozent unserer Landschaften sind landwirtschaftlich geprägt. Das ist unsere Umwelt, und sie hat gesellschaftlich wichtige Funktionen, für deren Erhalt und Förderung die Landwirtinnen und Landwirte auch bezahlt werden sollten.

Wie sollte sich die Landwirtschaft weiterentwickeln, um zukunftsfähig zu sein?

Müller: In Deutschland haben wir bei einigen Lebensmitteln wie Getreide, Fleisch und Milch einen Selbstversorgungsgrad von über 100 Prozent. Wir sollten überlegen, inwieweit wir Bereiche stärken können, in denen wir derzeit unterversorgt sind und viel importieren, zum Beispiel Obst und Gemüse. Außerdem sollten Synergieeffekte zwischen Nahrungsmittel- und Energieproduktion wie bei der Agri-Photovoltaik stärker in Betracht gezogen werden.

Piorr: Die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) hat festgestellt, dass die Preise, die der Endverbraucher zahlt, nie den wahren Kosten entsprechen. Versteckte Kosten für Umwelt- oder Gesundheitsschäden sind darin nicht enthalten und werden von anderen Sektoren getragen. Gleichzeitig werden Landwirtinnen und Landwirte, die bereits umweltschonend wirtschaften, für diese Leistungen nicht bezahlt. Wir können diese Mehrkosten aber auch nicht vollständig an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben, das wäre politisch nicht durchsetzbar. Es braucht also Umverteilungen. Die ZKL schlägt vor, Mittel zu verwenden, mit denen bisher negative Effekte in anderen Sektoren abgefedert werden. Wir sollten auch die Effekte einer umweltverträglichen Landwirtschaft direkt honorieren. Das erfordert Prozesse, die bisher viel zu wenig vorgedacht, geschweige denn umgesetzt werden. Es wird immer gesagt, das muss in den Regionen ausgehandelt werden – aber es ist Aufgabe der Politik vorzugeben, wie diese Regionalisierung funktionieren soll.

Erschien zuerst im/auf: quer-feld-ein.blog
Institution: Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)
Ansprechpartner/in: Prof. Klaus Müller und Dr. Annette Piorr

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