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Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)

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Agrarpolitik ländliche Räume Landwirtschaft Naturschutz Umweltschutz
Zwei Kühe grasen in der Region
Um die Umwelt der Region "The Burren" im Südwesten Irlands nachhaltig zu schützen, brauchte es eine Sonderlösung. © Martin Fowler | Shutterstock

Text: TOM BAUMEISTER

Wie kann die Landwirtschaft noch besser aktiv Umweltschutz betreiben? Ein Team aus Forschungs- und Praxispartnern hat dazu innovative Ansätze in mehreren europäischen Ländern untersucht und erprobt. Dabei war es besonders wichtig, die Politik mit ins Boot zu holen. Denn nur so werden aus vielversprechenden Einzelideen Lösungen für unsere Agrarsysteme.

Die zuverlässige Produktion gesunder Lebensmittel ist und bleibt die Hauptaufgabe der Landwirtschaft. Dabei soll sie heutzutage aber nicht nur umweltfreundlich arbeiten, sondern im besten Fall selbst aktiv Umweltschutz betreiben. In der Regel setzen landwirtschaftliche Betriebe dies mit so genannten Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen um, zum Beispiel dem Anlegen und Pflegen von Blühstreifen. Sie erhalten dafür Geld von der Politik, denn die Maßnahmen sind oft mit Ertragseinbußen verbunden und eine gesündere Umwelt kommt uns allen zugute. Die Betriebe diversifizieren so ihr Einkommen und gewinnen an Ansehen.

Die gängigen Förderprogramme für diese Maßnahmen führen jedoch oft zu weniger effektivem Umweltschutz als erhofft. „Das liegt unter anderem daran, dass die EU-weit vereinheitlichten Programme wenig Raum für regionale Besonderheiten lassen“, erklärt Dr. Claudia Sattler, Agrarwissenschaftlerin am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF). „Was in einer Region gut funktioniert, muss für andere Gebiete oft erst angepasst werden.“ Zusätzlich werden Einzelmaßnahmen innerhalb einer Landschaft nur selten aufeinander abgestimmt und in der Regel für die Durchführung von Maßnahmen gezahlt, nicht für die tatsächlich erreichten Ergebnisse. Um die Umweltschutzwirkung der Maßnahmen zu gewährleisten, geben die Förderprogramme sehr konkrete und starre Vorgaben vor, mit wenig Mitspracherecht und Flexibilität für die Betriebe. Grund genug für viele Landwirtinnen und Landwirte sich gar nicht erst an Umwelt- und Klimamaßnahmen zu beteiligen.

Das Ergebnis zählt

Die gute Nachricht: Es gibt für diese Probleme gleich mehrere Lösungen. Europaweit hat Sattler als Teil eines Teams im EU-geförderten Forschungsprojekt „Contracts 2.0“ innovative Ansätze begleitet und weiterentwickelt. Ansätze, die mehr Erfolg für den Naturschutz versprechen als herkömmliche Umweltprogramme.

Ein innovativer Ansatz sind zum Beispiel „ergebnisbasierten Zahlungen“, die Sattler mit einem Beispiel aus dem irischen Burren erklärt: „Das dortige Klima stellt die gängige Weidetierhaltung auf den Kopf. Statt wie bei uns im Sommer, kommen die Tiere im Winter auf die relativ kargen aber extrem artenreichen Weideflächen vor Ort. Um diese traditionelle Form der Beweidung zu erhalten, gab es jedoch kein geeignetes Förderprogramm. Deshalb wurde es von lokalen Akteuren selbst entwickelt.” Nun bekommen die Betriebe zusätzliche Prämien je artenreicher ihre Grünlandflächen sind. Wie die Betriebe dies genau erreichen, liegt jedoch in ihrer Hand. So können sie ihr eignes Wissen einfließen lassen. „Sie sind viel näher dran an der Frage, welche Umweltmaßnahmen für ihren Betrieb wirklich passen und welche nicht. Dies wurde in unseren Interviews immer wieder betont,“ so Sattler. Auch mehrfach betont wurden Lerneffekte, wenn zum Beispiel Erfolgskontrollen der Maßnahmen zusammen mit Biologinnen oder Biologen erfolgen ” So erfährt der Betrieb mehr zu den Ansprüchen der zu schützenden Pflanzen- und Tierarten. Ihrem Gegenüber zeigt sich wiederum, welche Maßnahmen sich gut in die Betriebsabläufe integrieren lassen,“ erklärt Sattler den Mehrwert für beide Seiten.

Gemeinsam ist besser

Das Forschungsteam untersuchte auch so genannte „kollektive Maßnahmen“. Dabei verpflichten sich ganze Gruppen benachbarter Betriebe, Umweltmaßnahmen gemeinsam umzusetzen. So können Schutzmaßnahmen für eine ganze Landschaft besser räumlich koordiniert werden – ein spürbarer Vorteil für die Umwelt. Gleichzeitig sinkt der bürokratische Aufwand für die zuständigen Geldgeber. „Statt mit vielen Einzelbetrieben verhandeln sie nur noch mit einem Vermittler“, so Sattler. Für diese Vermittlerrolle braucht es so genannte “Brückenakteure“. Diese Aufgabe übernehmen zum Beispiel Landschaftspflegevereine oder Stiftungen. „Wichtig ist, dass die Brückenakteure einen guten Draht zu allen Partnern haben. Nur so entsteht ein Austausch zwischen den Betrieben selbst, aber auch zu Naturschutzverbänden, Politik und Co. Es müssen alle mitgenommen werden!”, betont Sattler. Diese kollektiven Maßnahmen mindern auch das Risiko für den einzelnen Betrieb: „Wenn ein Betrieb eine Maßnahme nicht wie geplant umsetzen kann, kann ein anderer Betrieb im Kollektiv das ausgleichen“, erläutert Sattler.

Natürlich hat dieser Ansatz auch seine Herausforderungen. Bei sehr großen Zusammenschlüssen mit mehreren hundert Betrieben bedarf es oft zusätzlicher Organisationsstrukturen zwischen dem koordinierenden Brückenakteur und den einzelnen Betrieben. Es kann auch vorkommen, dass ein Betrieb im zu schützenden Gebiet nicht Teil des Kollektivs sein will. „Aber keine dieser Hürden hat in unseren Beobachtungen dazu geführt, dass der Ansatz scheiterte. Die Vorteile überwiegen!“, so Sattler.

Der nächste Schritt

Doch wieso bleibt es oft nur bei Pilotprojekten, wenn die Ansätze sich gut bewähren? „Um diese Hürde zu überwinden, setzte Contracts 2.0 von Beginn an auf die Zusammenarbeit von Praxis und Politik“, erklärt Sattler. “Dies gelang mit sogenannten „Innovation Labs“, in denen sich die Akteure über ihre innovativen Ansätzen austauschten und Netzwerke knüpften. So konnten wir Brücken bauen und die Chance erhöhen, dass vielversprechende Pilote zu flächendeckenden Förderprogrammen für den Umweltschutz ausgebaut werden.“ Dabei stellte sich das Team zwei Fragen: Wieso genau ist ein bestimmter Ansatz erfolgreicher als andere Herangehensweisen? Und: Wie müssen sich die politischen Rahmenbedingungen ändern, damit der Ansatz in die Fläche gebracht oder in andere Regionen übertragen werden kann?

Neben den oben beschriebenen ergebnisbasierten und kollektiven Maßnahmen wurden in Contracts 2.0 noch zwei weitere Ideen untersucht: Ansätze entlang der Wertschöpfungskette sowie Umweltauflagen, die an Pachtverträge geknüpft werden. „Aktuell gibt es von der Politik aber ein großes Interesse an ergebnisbasierten und kollektive Maßnahmen, weil sie sich am besten in schon bestehende Umweltprogramme der Behörden integrieren lassen“, fasst Sattler zusammen. Wie das genau geht, hat das Forschungsteam unter anderem in einem 20-seitigen Handbuch für die Politik festgehalten. Was aber fast noch wichtiger ist: Contracts 2.0 hat einen Nerv getroffen und mit den „Innovation Labs“ den richtigen Weg eingeschlagen. Das zeigt sich für Sattler an den Folgeprojekten: „Aus den Netzwerken, die wir aufgebaut haben, sind gleich drei Projekte entstanden, zwei nationale und eins auf EU-Ebene. Die Ideen pflanzen sich also weiter fort“.

Erschien zuerst im/auf: quer-feld-ein.blog
Institution: Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)
Ansprechpartner/in: Dr. Claudia Sattler

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