In Zusammenarbeit mit:
Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ)
Von linearer Entsorgung zur zirkulären Nährstoffverwertung
Text: DR. ARIANE KRAUSE und CORINNA SCHRÖDER
Ein Liter Urin wird mit etwa fünf bis fünfzehn Liter Trinkwasser weggespült. Neben diesem hohen Wasserverbrauch gehen dadurch viele Nährstoffe verloren. Denn Urin und Fäzes enthalten circa 80 Prozent der in kommunalen Abwässern enthaltenen Nährstoffe, die zur Düngung von Pflanzen gebraucht werden. Trockentoiletten werden auf Festivals, beim Camping oder als City-Toiletten immer beliebter. Das Projekt „zirkulierBAR“ entwickelt in der Region Barnim-Eberswalde eine Forschungsanlage, um qualitativ hochwertigen und hygienisch unbedenklichen Recyclingdünger aus Trockentoiletteninhalten herzustellen. Damit kann Wasser gespart, Ressourcen geschont und synthetischer Dünger ersetzt werden.
Für diejenigen, die lieber hören, statt lesen
DownloadVom Verdünnten zum Konzentrat
Wasserknappheit durch wiederholte Hitzesommer, ressourcenaufwendige Düngemittelproduktion und Nährstoffeinträge in Gewässer sind Kernprobleme der Landwirtschaft. Die Kosten der Kommunen für Kläranlagen und die Aufbereitung der Klärschlämme drohen in den kommenden Jahren zu explodieren. Inspiriert von den Gedanken der BioökonomieBioökonomieDer Begriff Bioökonomie (auch biobasierte Wirtschaft genannt), wie er in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion genutzt wird, umfasst alle industriellen und wirtschaftlichen Sektoren und deren zugehörige Dienstleistungen, die biologische Ressourcen produzieren, ver- und bearbeiten oder diese in verschiedenen Formen nutzen.
(Quelle: https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/lexikon-a-z)
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und Kreislaufwirtschaft setzt das Forschungsvorhaben zirkulierBAR genau hier an: Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff, die der Umwelt durch Anbau und Verzehr von Lebensmitteln entnommen wurden, sollen durch ein Trockentoiletten-System und innovative Behandlung wieder einer zirkulären sowie klimaangepassten Landwirtschaft zugeführt werden. Damit soll der Druck auf natürliche Ressourcen wie Boden, Wasser, Luft und Nährstoffe minimiert werden.
Im Rahmen des Projektes wird in Eberswalde zu diesem Zweck eine innovative und skalierbare Verwertungsanlage für die kreislauforientierte Behandlung von Inhalten aus Trockentoiletten errichtet. Die Endprodukte sind gesundheitlich unbedenkliche, nährstoffreiche und schadstoffarme Recyclingdünger für Landwirtschaft und Gartenbau. Kommunen können so eine wasser- und ressourcenschonende Alternative zu linearen, wasserabhängigen Klärsystemen planen und errichten. Das Projekt möchte zu einem Systemwechsel beitragen, indem es Nährstoffe regional zirkulierBAR macht – ohne Einbußen in Qualitätssicherung und Verbraucherschutz.
Vom Abwasserrecht zum Abfallrecht
Die Innovation liegt in der Stabilisierung und der effektiven Aufbereitung von unterschiedlichen, trocken und getrennt erfassten Stoffen. Es gibt bereits interdisziplinäre Erkenntnisse zur thermischen Behandlung von Fäzes, zur Stabilisierung und Reinigung von Urin mittels Nitrifikation und Aktivkohlefiltration oder auch zur Dünge-Wirkung im Pflanzenbau. Neue Analysetechnologien belegen, dass menschliche Fäkalien sauber aufbereitet werden können und qualitativ hochwertige Recyclingdünger ergeben. Diese Veränderung von der Nährstoffentsorgung über Abwasser hin zu einer in das Abfall-, Kreislaufwirtschafts- und Düngerecht eingebetteten stofflichen Verwertung ist eine grundlegende Veränderung unseres Ressourcengebrauchs und unserer „Hygienekultur“ für eine nachhaltige Zukunft.
In Eberswalde wird die bestehende Pilotanlage der lokalen Finizio – Future Sanitation GmbH zu einer Forschungsanlage umgebaut, die einen großen Materialdurchsatz bei hohem Automatisierungsgrad erlaubt. Im Testbetrieb werden neue Anlagenelemente entwickelt und Qualitätsparameter wie Hygiene, Schadstoffgehalte oder Nährstoffzusammensetzung erfasst und ausgewertet. Die Prozesse werden dabei wissenschaftlich untersucht, um Sicherheits- und Qualitätsstandards des Düngers zum Beispiel als DIN-Norm zu standardisieren. Mit umwelttechnischen und wirtschaftlichen Modellen soll ein Beleg für die Skalierbarkeit der Aufbereitungsmethode geschaffen werden. Außerdem werden die Düngewirkung sowie die gesellschaftliche Akzeptanz der neuen Recyclingdünger untersucht. Über Dialog-Veranstaltungen und Stakeholder-Workshops werden Kommunen, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in den Prozess einbezogen. Daraus werden Materialien für Planspiele oder Praxis-Seminare zur besseren Vermittlung sowie Blaupausen zur Verbreitung des Recycling-Ansatzes in anderen Kommunen entwickelt.
Vom Reallabor zur Realwirtschaft
Das zirkulierBAR-Reallabor dient als „gläserne Produktion“ für Interessierte aus dem Umfeld Gartenbau, Landwirtschaft sowie Düngemittelproduktion und fördert den interkommunalen Wissens- und Erfahrungsaustausch. Als Leuchtturmprojekt möchte zirkulierBAR den Transformationsprozess auf kommunaler Ebene anstoßen und dabei neue Formen der interkommunalen Zusammenarbeit im Bereich der nachhaltigen, regionalen Kreislaufwirtschaft und ressourcenschonenden, zirkulären Land- und Wasserwirtschaft erproben. Die Fortschritte und Ergebnisse des Forschungsprojektes sowie die Bedeutung für die Nährstoffwende werden über Positions- und Eckpunktepapiere in den gesellschaftspolitischen Dialog eingespeist und diskutiert.
zirkulierBAR ist ein im Rahmen der Fördermaßnahme REGION.innovativ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes inter- und transdisziplinäres Forschungsprojekt in Eberswalde, im Landkreis Barnim. REGION.innovativ unterstützt Regionen dabei, sich neuen Forschungs- und Innovationsthemen zu widmen und die dafür notwendige Zusammenarbeit mit neuen Partnern zu etablieren. Kommunen und zukunftsorientierte Unternehmen schaffen hier gemeinsam mit Universitäten und Forschungseinrichtungen ein Reallabor für nachhaltige regionale Kreislaufwirtschaft im Bereich der Land- und Wasserwirtschaft. Das Vorhaben startete im Juni 2021 und läuft 3 Jahre.
Die elf teilnehmenden Institutionen sind:
- Das Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) e.V. (Koordination)
- Die Kreisstadt Eberswalde
- Der Landkreis Barnim
- Die Kreiswerke Barnim GmbH
- Die Finizio – Future Sanitation GmbH
- Die Hochschule für nachhaltige Entwicklung (HNE) Eberswalde
- Die Technische Universität (TU) Berlin
- Das DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH
- Das Fraunhofer Center for Responsible Research and Innovation (CeRRI) des Fraunhofer-Institutes für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO)
- Die Kommunikations-Agentur „mfm – menschen für medien“
- Das izt – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung
Kommunen sowie auch Unternehmen aus dem gesamten Bundesgebiet sind eingeladen, das Vorhaben beobachtend zu begleiten. Wenn auch Sie an den Erfahrungen des Reallabors teilhaben wollen, schreiben Sie bitte an: kommunen@zirkulierbar.de
Weiterführende Informationen
Webseite: www.zirkulierBAR.de
Kontaktadresse: info@zirkulierbar.de
Dokumente zum Download:
- BMBF-Projektdatenblatt
- Projektflyer in deutsch und englisch
- Policy Paper: Die Zukunft is(s)t nachhaltig, regional und zirkulär – Diskussionspapier zur Nährstoff- und Agrarwende (2021)
Mit einer Rückbesinnung auf regionale Nährstoffkreisläufe zur Produktion von Nahrungsmitteln kann eine umweltverträgliche und nachhaltige Transformation der Landwirtschaft eingeleitet werden. Das Papier erläutert wichtigen Gründe, die dafür sprechen, Nährstoffkreisläufe und Agrarwertschöpfungsketten regional zu schließen, und gibt dazu Hintergrundinformationen. Auch mögliche Instrumente für einen Weg dorthin sowie Politikempfehlungen zur Umsetzung regionaler Nährstoffkreisläufe werden thematisiert. Auch zu finden unter naehrstoffwende.org. - Policy Paper: Ressourcen aus der Schüssel sind der Schlüssel – Diskussionspapier zur Sanitär- und Nährstoffwende (2021)
Das Dokument richtet sich an politische Entscheidungsträgerinnen und -träger auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene, die sich für Ressourcen- und Klimaschutz sowie eine nachhaltige Daseinsvorsorge einsetzen wollen, sowie an Planer:innen und Praktiker:innen der Kreislaufwirtschaft. Im Fokus steht die Ressourcenschonung durch Kopplung von zirkulärer Nahrungsmittelproduktion mit nachhaltiger, regionaler Wertschöpfung aus sanitären Nebenstoffströmen. Auch zu finden unter naehrstoffwende.org.