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Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)

Pflug for Future  

Agrartechnik Boden Landwirtschaft
Aus der Vogelperspektive ist ein grüner Schlepper mit einem blauen Pflug zu sehen. Er fährt über ein Feld und bearbeitet den Boden. Im vorderen Teil ist der bereits gewendete Boden zu sehen.
Foto: LEMKEN

Text: STEFANIE EICHLER

Schon zu DDR-Zeiten entwickelten Agrarforscher einen innovativen Pflug für stabilere Ernteerträge. Obwohl der Pflug funktionierte, geriet er über die Jahrzehnte wieder in Vergessenheit. Ein Forschungsteam am ZALF hat die Technik nun wiederentdeckt und weiterentwickelt. Dabei stellte sich heraus: Der Pflug kommt sogar dem Klima zugute.

Auf dem Campus des ZALF in Müncheberg zeigt Professor Michael Sommer auf einen Pflug, der nicht nur durch seine knallig blaue Farbe auffällt. Auch die Pflugschare, also die Werkzeuge am Pflug, die den Boden wenden, sind außergewöhnlich, denn sie sind unterschiedlich lang. „Jede zweite Pflugschar erzeugt einen 50 Zentimeter tiefen Schacht“, erklärt der Bodenwissenschaftler. Die Effekte dieser vermeintlich simplen Abweichung vom „normalen Pflug“ sind beeindruckend: „Werden die Felder mit diesem Pflug bearbeitet, steigert das die Erträge und erhöht mittelfristig die Bodenfruchtbarkeit.“ Das dahinterstehende Prinzip nehmen Sommer und sein Kollege Professor Jürgen Augustin in zwei Projekten unter die Lupe. Mit „Krumensenke“, gefördert durch die Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe e. V. vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und „Carbon Tillage“, finanziert durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, verfolgen sie das Ziel, die Humusvorräte auf Äckern dauerhaft zu erhöhen und damit CO2 zu speichern.

Um die ehrgeizigen Klimaziele zu erfüllen, kommt die Menschheit nicht umhin, nicht nur weniger CO2 in die Atmosphäre auszustoßen. Wir müssen auch alle Möglichkeiten nutzen, um CO2 zu binden, zum Beispiel in Pflanzen, in Mooren, in Böden. Das sogenannte „Carbon Farming“, dem sich die beiden ZALF-Forscher bereits seit einigen Jahren intensiv widmen, kann dazu beitragen. „Wenn man es richtig macht“, sagt Prof. Sommer.

Ein blauer Pflug pflügt das Feld.
Mit den unterschiedlich langen Pflugscharen befördert der Pflug Oberboden in tiefere Bodenhorizonte und humusärmeren Boden von unten nach oben, wo er mit organischer Substanz angereichert werden kann. So kann die Bodenfruchtbarkeit längerfristig erhöht werden. Foto: Marisa Gerriets | ZALF

Mehr Klimaschutz mit vier Promille?

Auf der Klimakonferenz von Paris im Jahr 2015 rückte „Carbon Farming“ erstmals groß in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Die französische Regierung stellte damals die 4-Promille-Initiative vor. „Demnach sollte es gelingen, durch Düngung mit Stallmist, Anbau von Zwischenfrüchten oder anderen „humusaufbauenden“ Pflanzen die Kohlenstoffmenge in Äckern jährlich um vier Promille zu erhöhen“, erklärt der Agrarwissenschaftler Augustin. „Global hochgerechnet entsprächen diese 0,4% Prozent genau der CO2-Menge, die die Menschheit pro Jahr freisetzt.“ Doch die beiden Wissenschaftler halten aus Sicht des Klimaschutzes wenig von dieser Idee, wie sie betonen. „Durch diese Maßnahmen kann man zwar labilen Kohlenstoff einlagern und die Bodenstruktur verbessern“, erklärt Sommer, „aber oft ist schnell eine Sättigung erreicht, so dass jedes Kilogramm Stallmist oder Pflanzenreste, das Sie zusätzlich auf die Böden geben, schnell wieder als CO2 in die Atmosphäre entweicht.“

Die Debatten in Paris hatten dennoch zur Folge, dass Fördergelder zur Erforschung des Carbon Farmings zur Verfügung gestellt wurden. „Es war ein regelrechter Hype!“, erinnert sich Sommer. „Wir setzten uns zusammen und dachten über einen Projektantrag nach, als uns eine fast vergessene Technik zur Ertragssteigerung einfiel.“ In der ehemaligen DDR hatte der Agrarwissenschaftler Claus-Renald Gätke bereits Ende der 1950er Jahre das Prinzip der „partiellen Krumenvertiefung“ entwickelt. Mit einem speziell entwickelten Pflug wurden einmalig rund 50 Zentimeter tiefe Schächte von ca. 10 Zentimeter Breite im Abstand von 50 bis 70 Zentimeter angelegt. „Das schien auch für unser Anliegen die ideale Lösung zu sein, denn erstens bringen die Pflugkörper beim Fahren übers Feld kohlenstoffarmen Unterboden aus den Schächten in den Oberboden“, erläutert Sommer. „Das erzeugt dort ein Defizit an Kohlenstoff.“ Die Oberböden haben dadurch wieder Kapazitäten, über die Pflanzen CO2 aus der Atmosphäre dauerhaft zu binden.

Eine Bodengrube zeigt die Änderungen im Ackerboden nach dem Einsatz des Pfluges. Dunkle Bodenbereiche wechseln sich mit hellen Bodenbereichen ab. Die Schächte sind klar zu erkennen.
Bodenveränderung nach Einsatz des "Carbon Farming"-Pfluges: Heller Unterboden wurde in den Oberboden gepflügt. Humoser Oberboden wurde gleichzeitig in Schächten in tiefere Bodenhorizonte bewegt. Foto: Michael Sommer / ZALF

Langanhaltender Effekt

Zweitens wird durch den Pflug kohlenstoffhaltiger Oberboden in tiefere Bodenhorizonte befördert. „Dort bleibt er über Jahrzehnte hinweg gebunden, so unsere Hypothese“, erläutert Augustin. Die beiden Wissenschaftler beschlossen, sie mit dem Forschungsprojekt „Krumensenke“ zu überprüfen. Ein Glücksfall führte dazu, dass sie diesen Effekt kurz danach beweisen konnten: Das Team fand die Flächen, auf denen vor 40 Jahren Experimente zur partiellen Krumenvertiefung stattfanden und ließen dort Gruben ausheben, um einen vertikalen Querschnitt des Bodenprofils freizulegen. Auf Fotos ist deutlich zu erkennen, dass die damals angelegten Schächte bis heute erhalten geblieben sind.

Ein altes Portraitfoto von Claus-Renald Gätke.
Der Agrarwissenschaftler Claus-Renald Gätke entwickelte Ende der 1950er Jahre in der DDR das Prinzip der »partiellen Krumenvertiefung«. Dabei ging es in erster Linie darum, Erträge zu steigern. Foto: ZALF Archiv

Sommer und sein Team untersuchten mehr als 100 Schächte und kamen zu dem Ergebnis, dass mindestens 50 Prozent des damals gebundenen Kohlenstoffs noch vorhanden sind. „In den meisten Schächten konnten wir sogar den Erhalt von 70 bis 90 Prozent nachweisen“, erläutert Sommer. Wenn auf diesem Weg zusätzlicher Kohlenstoff im Oberboden gebunden und gleichzeitig der in den Unterboden verlagerte Kohlenstoff dort gehalten werden kann, ergibt sich in der Summe eine deutliche Zunahme der Kohlenstoffvorräte auf jedem Quadratmeter Boden. „Bei einem maximalen Humusabbau von 50% in den Schächten speichert man mit der partiellen Krumenvertiefung je nach Bodenbeschaffenheit jährlich eine bis drei Tonnen CO2 pro Hektar“, erläutert Sommer, „Solange, bis sich nach etwa zehn bis 15 Jahren ein neues Gleichgewicht eingestellt hat. Danach kann die Maßnahme wiederholt werden und die Böden binden erneut CO2.“

Wissenschaft trifft Technik

Das konnten die Experten auch in einem neuen Feldversuch nachmessen: „Bereits nach zwei Jahren stellten wir steigende Kohlenstoffgehalte fest“, so Sommer. Sein Fazit: „Unsere Messungen weisen in dieselbe Richtung wie die Analyse der historischen Feldversuche. Wir können schon jetzt eine über Jahrzehnte wirksame CO2-Speicherwirkung nachweisen.“ Mit dem Projekt „Carbon Tillage“ holten die beiden Wissenschaftler schließlich auch den Landmaschinenhersteller LEMKEN mit an Bord und machten den Fachmann ausfindig, der in der DDR den Bau des Pflugs begleitete. „Damals hatte er Probleme mit der Materialbeschaffung“, erläutert Sommer, „Heute staunt er darüber, wie stabil der Stahl ist, aus dem der blaue Pflug gebaut wird.“

Mit den unterschiedlich langen Pflugscharen befördert der Pflug Oberboden in tiefere Bodenhorizonte und humusärmeren Boden von unten nach oben, wo er mit organischer Substanz angereichert werden kann. So kann die Bodenfruchtbarkeit längerfristig erhöht werden. Foto: Michael Sommer | ZALF

Dabei ging es den Forscherinnen und Forschern in der DDR gar nicht um die Einlagerung von Kohlenstoff. Vielmehr sollte die weitverbreitete Verdichtung des Ackerbodens durchbrochen und damit höhere und stabilere Erträge erzielt werden. Die locker mit Oberboden befüllten Schächte ermöglichen, dass Getreide, Zuckerrüben und Kartoffeln tiefer wurzeln und somit tieferliegendes Wasser und Nährstoffe erreichen – und damit auch Trockenperioden besser überstehen. Die weiterhin verdichteten Bereiche zwischen den tiefen Schächten haben ebenfalls ihren Zweck. Sie schützen die Schächte mit aufgelockertem Bodenmaterial vor erneuter Verdichtung durch schwere Landmaschinen. Doch obwohl das Verfahren gut funktionierte, setzte die Wende 1990 dem Pflug vorerst ein Ende und er drohte in der Schublade zu verschwinden.

Dank des ZALF-Teams bekommt er nun eine neue Chance. Schon jetzt wird er bei Partnern aus der Praxis eingesetzt. Auf diese Weise lassen sich skeptische Landwirtinnen und Landwirte davon überzeugen, dass sich sein Einsatz auch finanziell rentiert. Denn nur so wird sich der neue, alte Pflug durchsetzen.

Erschien zuerst im/auf: quer-feld-ein.blog
Institution: Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)
Ansprechpartner/in: Prof. Dr. Michael Sommer

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