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Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)

Schachbrett auf dem Acker  

Agrar- und Gartenbautechnik Biodiversität Bodenfruchtbarkeit Landwirtschaft Landwirtschaft 4.0 Nachhaltigkeit
Das patchCROP-Landschaftslabor im Juli 2020 © Hendrik Schneider | ZALF
Das patchCROP-Landschaftslabor im Juli 2020 © Hendrik Schneider | ZALF

Text: HEIKE KAMPE

Die landwirtschaftliche Produktion muss nachhaltiger werden. Mehr Vielfalt auf dem Acker und kleinere Anbauflächen könnten Ressourcen schonen, die Bodenfruchtbarkeit erhalten, den Verbrauch an Pflanzenschutz- und Düngemitteln senken und die Artenvielfalt fördern – davon sind Forschende des ZALF überzeugt. Ihre These testen sie nun unter Praxisbedingungen. Welche Auswirkungen hat es, wenn etwa Mais, Lupine und Sonnenblume auf kleinen Feldeinheiten direkt nebeneinanderstehen? Kann ein landwirtschaftlicher Betrieb am Ende damit noch Geld verdienen? Und welche Rolle müssen dabei neue Technologien wie Roboter und künstliche Intelligenz einnehmen? All das untersucht das Forschungsteam jetzt in einem einzigartigen Landschaftsexperiment.

Für diejenigen, die lieber hören, statt lesen

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Ist mehr Vielfalt in der Landwirtschaft möglich? Das ZALF-Landschaftslabor patchCROP

Es ist eine typische Landschaft im Osten Brandenburgs, Ende April. Auf den weit ausgedehnten Feldern steht der Raps kurz vor der Blüte, etwas weiter haben Getreidepflanzen die Flächen in ein sattes Grün getaucht. Einige Äcker sind noch kahl – hier wird später der Mais wachsen. Am Horizont zieht ein Traktor seine Kreise über den Acker. Unterbrochen wird die hügelige Weite von Alleen aus Obstbäumen, Landstraßen, vereinzelten Wäldern und Dörfern. Man muss etwas genauer hinsehen, um zwischen Müncheberg und Steinhöfel ein Feld zu entdecken, das anders als alle anderen ist. Hier gibt es keine weiten Flächen – stattdessen breitet sich auf 70 Hektar Land ein Schachbrettmuster aus Quadraten in unterschiedlichen Farbtönen aus. In regelmäßigen Abständen stecken Markierungen in der Erde und schon von Weitem zeigt ein kleiner Sendemast mit einem Solarpaneel, dass hier wohl nicht nur Landwirtschaft betrieben wird.

Die wissenschaftliche Koordinatorin Dr. Kathrin Grahmann gemeinsam mit Geschäftsführer der Komturei Lietzen, Felix Gerlach: Als Praxispartner im patchCROP-Landschaftslabor stellt der landwirtschaftliche Betrieb die Flächen zur Verfügung und bewirtschaftet sie. Der Praxistest für die Vision einer nachhaltigen Landwirtschaft wird so überhaupt erst ermöglicht. © Kristina Backhaus | ZALF
Die wissenschaftliche Koordinatorin Dr. Kathrin Grahmann gemeinsam mit Geschäftsführer der Komturei Lietzen, Felix Gerlach: Als Praxispartner im patchCROP-Landschaftslabor stellt der landwirtschaftliche Betrieb die Flächen zur Verfügung und bewirtschaftet sie. Der Praxistest für die Vision einer nachhaltigen Landwirtschaft wird so überhaupt erst ermöglicht. © Kristina Backhaus | ZALF

Ein Landschaftslabor für die Feldforschung

„Bitte vorsichtig sein und nur auf den Fahrspuren bleiben“, bittet Dr. Kathrin Grahmann beim Besuch der Flächen, die Teil eines großangelegten Experiments im Freiland sind. Zügig schreitet die Projektleiterin voran und erklärt, was links und rechts des Weges wächst. Auf den jeweils einen halben Hektar großen Quadraten sprießen Hafer, Lupine oder Winterroggen. Insgesamt sind es neun unterschiedliche Feldfrüchte und zusätzliche Zwischenfrüchte, die hier in Kooperation mit dem Landwirtschaftsbetrieb Komturei Lietzen auf 30 kleinen Feldeinheiten, sogenannten „patches“, auf echten landwirtschaftlichen Flächen des Praxisbetriebes angebaut werden. „patchCROP“ nennen daher die Forscherinnen und Forscher des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V. in Müncheberg dieses Landschaftslabor, das europaweit einmalig ist. Zehn Jahre lang werden sie hier detailliert untersuchen können, wie sich ein kleinflächiger und vielfältiger Anbau, der zukünftig mithilfe von Feldrobotern realisiert werden soll, auf die Bodenfruchtbarkeit, die Biodiversität, den Ertrag, den Schädlingsbefall oder den Nährstoffkreislauf auswirkt.

Kleiner und vielfältiger statt groß und monoton – es geht um einen grundlegenden Umbau der landwirtschaftlichen Produktion, um mit weniger Düngemitteln und Pestiziden und weniger Großmaschinen auszukommen. Denn der schachbrettartige Anbau lässt sich mit den großen Landwirtschaftsmaschinen nicht gewinnbringend realisieren. Für den großen Umbau sind digitale Lösungen und kleine Feldroboter nötig, die den Weg in eine umweltfreundlichere Produktion ebnen sollen. Selbstständig säen, kranke Pflanzen erkennen und behandeln, auf die Bodenfeuchtigkeit reagieren und angepasst bewässern oder den optimalen Nährstoffstatus einzelner Pflanzen gezielt einstellen – all das könnten die kleinen autonomen Maschinen künftig übernehmen. „Wir wollen aufzeigen, wie Feldrobotik und digitale Technologien mehr Vielfalt auf den Feldern ermöglichen“, erklärt Kathrin Grahmann. „Und dafür müssen wir untersuchen, wie geeignete Anbausysteme aussehen können.“

Das Landschaftlabor wird bislang von der Komturei Lietzen noch mit herkömmlichen Landmaschinen bewirtschaftet. © Sympathiefilm

Kleine Feldeinheiten für Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit

Für die Agrarwissenschaftlerin ist die Versuchsfläche, auf der bereits seit Jahrzehnten landwirtschaftlich produziert wird, ein Glücksfall: „Wir haben mit patchCROP eine einmalige Grundlage geschaffen, um unterschiedlichste Fragestellungen unter Praxisbedingungen untersuchen zu können.“ Ertragskarten der letzten zehn Jahre zeigen an, wo der Boden am fruchtbarsten und die Erträge am höchsten sind. Zusätzlich lieferten Bodenproben und ein Bodenscanner Daten über Struktur und Nährstoffgehalt des Feldes. Auf Grundlage dieser Daten unterteilte das Forschungsteam die gesamte Versuchsfläche in ertragreiche und weniger ertragreiche Standorte. Auf den schlechteren Standorten, wo der Boden sandiger ist und Nährstoffe und Wasser schlechter speichern kann, werden nun Feldfrüchte wie Roggen angebaut, der auch mit weniger Wasser eine gute Ernte einbringt, ebenso wie Sonnenblume oder Hafer. Dort, wo der Boden lehmiger und fruchtbarer ist, wachsen Weizen, Raps oder Sojabohnen. Das Ziel dieser unterschiedlichen Bewirtschaftung ist es, Flächen optimal zu nutzen, Ressourcen bestmöglich einzusetzen und die Erträge gegen Wetterextreme abzusichern. Kleinere Feldeinheiten mit abwechslungsreichen Fruchtfolgen sind – im Gegensatz zu großen Monokulturen – gut für die Biodiversität und die Bodenfruchtbarkeit.

Mehrere Forschungspartner – darunter das DFG-Exzellenzcluster PHENOROB der Universität Bonn, DAKIS, ein Verbundprojekt der Förderrichtlinie Agrarsysteme der Zukunft des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und das Julius Kühn-Institut – arbeiten eng mit den Forscherinnen und Forschern des ZALF zusammen. Rund 35 Forschende nutzen die Forschungsplattform aktuell, um drängende Zukunftsfragen einer nachhaltigen landwirtschaftlichen Produktion wissenschaftlich zu untersuchen. Kathrin Grahmann hält alle Fäden der verschiedenen Projekte in der Hand. „Ohne mein Wissen geht hier niemand auf die Fläche“, sagt sie resolut. Sie koordiniert alle Aktivitäten, damit sich niemand ins Gehege kommt, trägt die Verantwortung gegenüber den Flächeneigentümern, weiß, wo und wann Pflanzenschutzmaßnahmen durchgeführt werden und die Fläche für ein oder zwei Tage nicht betreten werden darf. Sie kennt auch die besonders empfindlichen Messpunkte, die keinesfalls gestört werden dürfen, um die Ergebnisse nicht zu verfälschen.

„Wenn man überzeugen will, muss man beweisen, dass das eine besser ist als das andere“, sagt Kathrin Grahmann. Wie akribisch und umfassend die Forschenden dafür Daten über ihr neues Anbausystem sammeln, zeigt die Vielzahl der verschiedenen Messungen und Versuche. Unter jedem „patch“ des Freilandlabors sind in unterschiedlichen Tiefen sechs Bodensensoren installiert, die Bodenfeuchte, Temperatur und den Salzgehalt messen. Die Messdaten werden alle 20 Minuten abgerufen und online gestellt. Die Forscherinnen und Forscher wissen so lückenlos, was auf den Flächen geschieht. Doch nicht nur das: „Diese Informationen sollen Roboter zukünftig intelligent nutzen, um zu entscheiden, wo gedüngt oder bewässert werden muss“, erklärt Grahmann. Akustiksensoren sollen künftig Insekten- und Vogelgeräusche aufnehmen. Mit den Daten füttern die Forschenden dann Computermodelle, die mithilfe von künstlicher Intelligenz ermitteln können, welche Arten auf der Fläche vorhanden sind und sogar, in welcher Menge sie vorkommen. Ein Ornithologe beobachtet zusätzlich alle 2-4 Wochen die hier lebenden und brütenden Vögel.

Ein Fuhrpark aus autonomen Feldrobotern

Weniger Pflanzenschutzmittel einzusetzen ist das klare Ziel der Forschenden, die dafür ganz genau wissen müssen, wie es den Pflanzen auf den Anbauflächen geht. Knabbern Schadinsekten an den Blättern? Haben die Pflanzen Pilz- oder Viruserkrankungen? Statt wie bisher vorbeugend Pflanzenschutzmittel zu spritzen, wird auf einigen ausgewählten Versuchsflächen erst zum Pflanzenschutzmittel gegriffen, wenn tatsächlich Gefahr im Verzug ist. Derzeit überprüfen Forschende des Julius Kühn-Instituts einmal wöchentlich, ob das der Fall ist. Künftig soll digitale Technik diese Diagnose übernehmen. Im Rapsfeld testen die Forschenden etwa Prototypen einer „digitalen Gelbschale“, mit der der Befall des Rapsglanzkäfers und Rapsstengelrüsslers beobachtet wird. Eine Kamera fertigt in regelmäßigen Abständen Fotos an, die durch einen Algorithmus ausgewertet werden. Vollautomatisch wird so der Schädlingsbefall im Raps erfasst. In Echtzeit kann der Landwirt oder die Landwirtin entscheiden, ob die Pflanzen behandelt werden müssen. Die Technologie dahinter könnte eines Tages dabei helfen, auch Schädlingsbefall bei anderen Feldfrüchten zu erfassen.

Natürliche Verbündete können ebenfalls dabei helfen, Pflanzenschutzmittel zu reduzieren. Neben einigen „patches“ haben die Forschenden Blühstreifen angelegt. Das Ackerstiefmütterchen blüht hier bereits und versorgt die ersten Bienen und Hummeln mit Pollen und Nektar. Frische Blattrosetten stehen neben abgestorbenen Stängeln aus dem Vorjahr. „Das sind die Strukturen, die Insekten zum Überwintern und Verpuppen brauchen“, erklärt Kathrin Grahmann. Sie sieht in dem Blühstreifen nicht nur einen Rückzugsort für Insekten oder bodenbrütende Vögel, sondern auch eine Maßnahme zum Pflanzenschutz: Hier sollen sich nutzbringende Insekten ansiedeln und Blattläuse oder Raupen auf den benachbarten Feldern reduzieren. Das – so hoffen die Forschenden – steigert den Ertrag und senkt den Pestizidverbrauch.

Die Feldrobotik, ist Kathrin Grahmann überzeugt, wird in den kommenden Jahrzehnten das Gesicht der Landwirtschaft verändern. Die Forscherin sieht darin die große Chance für einen Systemwechsel, den die kleinen, autonomen und flexiblen Feldroboter ermöglichen sollen. Die notwendige Überzeugungs- und Vernetzungsarbeit leistet das Team von patchCROP auch über Workshops, in denen sich Wissenschaft, Landwirtschaftskammern, Hersteller von Feldrobotern und natürlich Landwirtinnen und Landwirte austauschen und informieren können. „Es muss für den Landwirt vor allem rentabel sein“, weiß Kathrin Grahmann, „dann kann er sich auch auf alles andere einlassen.“

In einigen Jahren sollen auf dem patchCROP-Landschaftslabor Feldroboter viele Arbeiten erledigen. © NAÏO TECHNOLOGIES
In einigen Jahren sollen auf dem patchCROP-Landschaftslabor Feldroboter viele Arbeiten erledigen. © NAÏO TECHNOLOGIES

Die Versuchsfläche wird in diesem Jahr noch ohne Feldroboter bewirtschaftet. In Zukunft soll sich das aber ändern: In der Maschinenhalle soll ein kleiner Fuhrpark mit Robotern entstehen, die selbstständig die Feldarbeiten übernehmen. Ist die Batterie leer, fahren sie zurück zur Ladestation, die mit Solarstrom vom Dach der Halle versorgt wird. „In ein paar Jahren sollen hier viele kleine Feldroboter die Arbeit erledigen“, so Kathrin Grahmann.

Weiter​e Informationen

Erschien zuerst im/auf: querFELDein-Blog
Institution: Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)
Ansprechpartner/in: Dr. Kathrin Grahmann

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